Mut für die Zukunft

Vor einem Jahr veränderte ein kleines Virus unser Leben und in den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist. Veränderung findet statt. Aber momentan fehlt offensichtlich die Akzeptanz für die Ernsthaftigkeit der Situation. Dabei hindert uns niemand, Selbstverantwortung zu übernehmen und die Lage durch unser eigenes Handeln positiv zu beeinflussen. Jetzt müssen wir unseren Mut zusammenkratzen und Neues zulassen.

Was bedeutet es, Mut zu haben?

Mut haben wir schon in der Vergangenheit bewiesen, als wir das Unternehmen auf Bio und Nachhaltigkeit ausgerichtet haben. Wir haben das gemacht, weil es uns wichtig war, weil es unsere Werte widerspiegelt. Wir haben in Ökologisierung investiert statt in Effizienz und rasches Wachstum. Es war ein sehr eigenwilliger Weg, aber es war unser Weg. Heute bekommen wir dafür allerdings nicht die sprichwörtliche Rechnung präsentiert, sondern den Preis dafür – denn das vergangene Jahr war herausfordernd, aber es war auch unser erfolgreichstes Wirtschaftsjahr.

Wie kann man jemanden ermutigen, ebenfalls neue Wege zu gehen?

Gerade jetzt sollen junge Menschen motiviert
werden ihre Ideen zu realisieren. Wir brauchen Innovationen, damit sich was bewegt, wir vorankommen und neue Wege einschlagen. Veränderung findet statt, es werden neue Geschäftsmodelle entstehen und vieles wird aus dem derzeitigen Stillstand nicht mehr so präsent sein und an Bedeutung verlieren. In den großen Betrieben sind die Strukturen viel zu starr, da kann Innovation kaum stattfinden, denn die haben sich auf Effizienz fokussiert. Dabei hat Innovation keinen Platz mehr. Die neuen Start-up-Unternehmen sind eigentlich nur Ideenbringer, die in den meisten Fällen als Innovation an die Industrie verkauft werden, dann aber nicht weiterentwickelt werden. Ein bisserl wie eine Jungpflanze, die eingeht, wenn sie nicht gepflegt, gedüngt und richtig zurückgeschnitten wird. Da hilft die beste Idee nichts, wenn sie nicht weiterentwickelt wird. Man muss selbst dranbleiben und das können junge Unternehmer am besten, wenn sie für ihre Idee brennen. Sie müssen sich Zeit nehmen und dann das Produkt auch am Markt etablieren und in Folge weiterentwickeln.

Unternehmertum ist kein Hobby!

Wir brauchen eine Unternehmenskultur mit Weitblick und Visionen. Es muss zuerst ein Fundament aufgebaut werden, damit das Unternehmen auch mal „trockene Zeiten“ übersteht. Ohne Rückversicherung durch den Staat, man kann ja nicht immer irgendwo einen anderen verantwortlich machen, wenn es mal nicht so gut läuft, damit verliert ein Unternehmer seine Freiheit aber auch den Biss.

Jeder muss seine Aufgaben wahrnehmen und seine Kompetenz einbringen, sonst geht nix weiter und wir kommen aus dieser Schockstarre nicht heraus. Produkte müssen auch weiterentwickelt werden, an neue Anforderungen angepasst werden. Man muss alte Muster verlassen.

Ich habe z.B. vor kurzem mit einem Sportwagenhersteller gesprochen, der gerade an der Entwicklung eines Motorensounds für das Elektromodell arbeitet. Da habe ich ihn gefragt, warum ein E-Auto - auch wenn es ein Sportwagen ist - überhaupt Motorensound braucht, das ist doch eine ganz andere Fahrzeugkategorie. Das wäre ja so, als hätte man in einen Laptop Schreibmaschinengeräusche eingebaut, das braucht doch niemand. Da wären doch andere Attribute viel wichtiger, wie Beschleunigung, Design, Funktion, Komfort, etc. Dort müssen Produkte eben auch weiterentwickelt werden und an neue Anforderungen angepasst werden und auch neue Imagefaktoren erfüllen, wie eben ein geräuscharmer Sportwagen - der blitzschnell beschleunigen kann und trotzdem sexy ist. Gut, ich bin jetzt kein Sportwagenhersteller, aber zumindest bin ich Autofahrer und auf den E-Sportwagen bin ich schon sehr gespannt.

Mut, echt zu sein

Es entstehen auch wieder viele kleine Shops. Man hat gemerkt, dass flexible Geschäftsmodelle auch jetzt erfolgreich waren. Leute, die sich wieder selbst in den Laden stellen und den Kontakt zu ihren Kunden haben möchten, auch flexible Öffnungszeitenmodelle können dafür Anreiz sein. Marken gewinnen wieder an Bedeutung, das Versprechen muss ich einhalten, mich von der Masse abheben und Individualität gewinnt an Bedeutung. 

Mut zur Disruption

Man muss die Zerstörung, die ja grade stattfindet, zulassen. Nach den Jahren der Produktion auf Hochtouren kommen wir jetzt in eine Zeit wo vieles wieder reduziert wird und Produkte repariert werden, anstatt sofort Ersatz zu kaufen. Viele Unternehmen werden diese Krise nicht überstehen, man muss sie aber auch nicht um jeden Preis am Leben erhalten, das kann sich eine Gesellschaft auf Dauer nicht leisten. Besser wäre eine Kultur des Scheiterns, dann kann Neues viel schneller entstehen.

Sich von der Dekadenz zu verabschieden ist auch mutig

Ja, jetzt ist es aber auch genug mit der Dekadenz. Also Insekten auf Schokoladen braucht jetzt wirklich niemand mehr. Eine Grammelnussen-Schokolade wird es auch in Zukunft geben, oder unsere Fischgummi-
Schokolade, weil die einfach in der Herstellung und im Geschmack sehr spannend sind – aber Insekten oder Blutschokolade, damit ist jetzt Schluss. Wir haben immer versucht Grenzen zu überwinden, noch höher, noch ärger. Das braucht einfach keiner mehr. Auch die ständige Verfügbarkeit von allem im Überfluss ist eigentlich eher abstoßend. Diesen Trend umzukehren, das erfordert Mut. Sich von der Dekadenz abzuwenden und neue Wege zu beschreiten, ist ja eigentlich ein Befreiungsschlag und hat somit wenig mit Verzicht zu tun, ganz im Gegenteil. Konsum belastet und ist eher lähmend, darauf zu verzichten ist ein Gewinn. Der Konsum bricht jetzt zusammen, denn damit sind wir auch als Gesellschaft einfach zu weit gegangen, das brauchen wir nicht mehr. Die dadurch entstandenen Missstände werden jetzt deutlich aufgezeigt, z.B. die Ausbeutung in der Fleischindustrie hat enorme Ausmaße angenommen. Man kann viel Fleisch essen, aber man muss nicht. Viele möchten das auch nicht mehr und lehnen übermäßigen Fleischkonsum ab, achten dafür lieber auf bessere Qualität und empfinden das als positive Veränderung und Zugewinn an Lebensqualität. Und das lässt sich auch auf viele Lebensbereiche übertragen. Dabei ist nicht der Preis entscheidend, ob man sich einen täglichen Fleischkonsum leisten kann, sondern um die persönliche Entscheidung, dass man es nicht braucht. Das ist eine neue Form empfundener Freiheit. Viele haben Gefallen gefunden an neuen Lebensstilen und möchten in das alte Fahrwasser nicht mehr zurück, weil das auch extrem anstrengend war. 

Mut zur Selbstverantwortung

Nicht jeder soll jetzt ein Unternehmen gründen, darum geht es nicht. Aber jeder sollte auch an seinem Arbeitsplatz Selbstverantwortung übernehmen und sich einbringen. Es geht nicht darum Aufgaben zu erledigen, sondern Teil der Lösung zu sein, Innovationen anzutreiben und das Produkt stetig zu verbessern, an neuen Konzepten zu arbeiten.

Das zeigen auch neue Konzepte in der Gastronomie. Plötzlich werden Spitzenköche erfinderisch in der Vermarktung und schaffen es auch, vorgefertigte Speisen in Vorratsgläsern für die Zubereitung daheim herzustellen. Naja, wahrscheinlich hat es mit dem Verkauf von warmen Speisen nicht so gut geklappt, weil sie auf dem Transportweg Qualität verlieren. So hat man das Aufwärmen in die Haushalte verlegt. Ist ja auch sinnvoll und schmeckt sicher besser. Das ist für jeden sehr praktisch, wenn man Spitzengerichte für die „schnelle Küche“ in hervorragender Qualität bekommt – und sogar auch bevorraten kann. Das sind Konzepte, die auch in Zukunft Bestand haben werden. So können sich Köche auch wieder der Weiter
entwicklung von Rezepten widmen und wirklich an neuen Geschmackskonzepten arbeiten. Egal, wo dann gegessen wird.

In erster Linie muss Essen sehr gut schmecken. Gute Lebensmittel, wenn sie dann noch Bio und Fair sind, haben einen super Zusatznutzen. Aber Geschmack ist vordergründig. Da hat sich in der Bioszene auch sehr viel bewegt. Im letzten Jahr ist der Bioanteil im Lebensmittelhandel deutlich angestiegen, das ist ein erfreulicher Trend – auch wenn der Anteil an heimischen Bioprodukten noch recht gering ist, aber das kriegen wir schon noch hin. Die Richtung ist gut.

Viele junge Menschen besinnen sich wieder auf das Handwerk. Das sieht man ganz deutlich im Bäckergewerbe. Dort entstehen wieder viele innovative Betriebe. Geknetet wird schon mit modernen Maschinen, das ist auch gut so – aber die Mehlsorten werden wieder ursprünglich, die Sauerteige erleben 
eine Renaissance und was die Industrie wegrationalisiert hat, wird heute wieder in großer Vielzahl mit viel Hingabe neu zum Leben erweckt. Ob das Bäckereien mit einer großen Auswahl sind, oder Hersteller von Backmischungen für das Backen daheim, beide Konzepte erfreuen sich großer Beliebt-
heit und bieten wieder Qualität und 
Geschmacksvielfalt. Und sie bieten auch Transparenz, man weiß wer das Brot herstellt, kann Fragen stellen, bekommt individuelle Angebote und es entsteht eine Vertrauensbasis. Das ist ein gutes Fundament für die Zukunft. So entsteht auch wieder eine neue Vielfalt.

Die Dinge, die jetzt nicht mehr funktionieren, schaffen Platz für Neues und das ist sehr ermutigend. Es entstehen aus den bewährten Konzepten neue Anforderungen, aber auch neue Aufgaben. Es gibt viel zu tun, aber anders. Mut zur Veränderung. Dass es etwas Besseres wird, haben wir jetzt selbst in der Hand. Nur Mut!

Josef Zotter

Über: Josef Zotter

Chocolatier, Bio-Landwirt und Andersmacher. Josef Zotter ist gelernter Koch und Kellner, Konditormeister, war längere Zeit Koch und Küchenchef in verschiedenen Hotels der Luxusklasse unter anderem auch in New York. Josef Zotter ist verheiratet mit Ulrike Zotter und Vater von drei Kindern.

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