Artikel: Der Glücksmacher

08.04.2013

Erschienen im Manager-Magazin "Mittelpunkt" in der Rubrik " Kleine Wirtschaftswunder".

Der Glücksmacher

von Marco Ramic

Josef Zotter ist einer der besten Chocolatiers der Welt. Mit Schoko-Kreationen wie „Süßwein und Käse“ oder „Ananas mit Sellerie“ polarisiert er – und beschert Feinschmeckern dennoch immer die höchsten Glücksgefühle.

Jetzt. Sie schmilzt. Ganz zart ist sie, umschmeichelt die Zunge. Ihre Aromen erwachen, tänzeln im Mund, erfüllen ihn. Langsam winden sie sich hinauf zum Gaumen, kitzeln ihn sanft. In der Schaltzentrale im Kopf spielen alle Regler verrückt. Glückshormone schießen in die Blutbahnen und durchfluten den Körper.

Nein, Josef „Sepp“ Zotter macht keine Schokolade. Er kreiert in Tafelform gepacktes Glück. Der österreichische Chocolatier gilt als wahrer Geschmackskomponist. Oft benutzt er in seinen Schokoladen abstrus klingende Zutatenkombinationen
– sei es nun Schafsmilch mit Kräutern oder Eierlikör mit Chili. Und doch entsteht am Ende immer eine Sinnesfreude. „Wer sagt: ‚Dies oder das hat in einer Schokolade nichts verloren‘, den überzeuge ich immer gerne vom Gegenteil“, erklärt der 52-Jährige, der sein kleines Schokoladenreich in Kornberg in der Steiermark aufgebaut hat. Bis hierhin war es allerdings ein steiniger Weg.

1987 gründet Sepp Zotter mit seiner Frau Ulrike eine Konditorei in Graz, vertreibt damals schon ungewöhnliche Kreationen, von Hanfschnitten bis hin zu Käferbohnenrouladen mit Koriander. Das Geschäft läuft gut, nach und nach eröffnet er immer mehr Filialen. 1992 erfindet er die „handgeschöpfte Schokolade“ – in Handarbeit hergestellte, geschichtete Kakaoköstlichkeiten. Doch schon vier Jahre später kommt der Rückschlag: Zotter muss Insolvenz anmelden, drei seiner Filialen schließen. 1999 entscheidet er sich, seinen Konditorenhut an den Nagel zu hängen und sich ganz auf die Schokoladeproduktion zu konzentrieren. Heute sagt
er: „Die Pleite war gut für meine persönliche Entwicklung – und für die Entwicklung des Unternehmens.“ Mittlerweile arbeiten mehr als 130 Mitarbeiter in der Zotter Schokoladen-Manufaktur.

Der Querdenker ist ein leuchtendes Beispiel, wie man mit unternehmerischem Mut gestärkt aus einer Krise hervorgeht. Das hat er auch seinen schrägen
Marketingmitteln zu verdanken: So nimmt er etwa Schokoladensorten, die sich besonders gut verkaufen, aus dem Sortiment. „Die nehmen den Schokoladen, die sich nicht so gut verkaufen, zu viel Platz weg.“ Von Marktanalysen hält Zotter wenig. Als Beispiel nennt er seine Nuss-Schokolade mit Schweinsgrieben. „Eine Analyse würde zeigen: Grieben-Schokolade? Die hat keine Chance.“ Er hat sie einfach gemacht. Mit Erfolg. Ebenso wenig wie von Marktanalysen hält Zotter vom Verkosten neuer Rezeptideen. „Wer versucht, es möglichst vielen Testessern recht zu machen, den erwartet am Ende immer nur eines: ein mittelmäßiges Produkt.“ Stattdessen produziert er die Schokolade einfach – ungetestet. Dass sie dem einen dann prima schmeckt und dem anderen gar nicht, findet er nicht schlimm. „Zum Glück sind die Menschen verschieden. Und mit ihnen die Geschmäcker.“

Den meisten Gourmets munden die Kompositionen indes fabelhaft. Kein Wunder, bekommt man doch bei jedem kleinen Stückchen einen himmlischen Schokoladenrausch inklusive.