Zotter verzichtet künftig auf das Fairtrade-Logo

18.08.2018

Kurier vom 17.08.2018, Autor: Simone Hoepke

Der Chocolatier will wissen, woher genau seine Bohnen kommen. Das kann ihm das Gütesiegel aber nicht bieten.

Josef Zotter steht für außergewöhnliche Geschmacksrichtungen und Bio mit Fairtrade-Siegel. Noch.

Denn der steirische Chocolatier pfeift ab sofort auf das Fairtrade-Logo auf seinen Schokoladentafeln. Es ist ihm schlicht zu wenig aussagekräftig, erklärt er im KURIER-Gespräch. Grund für seinen Ärger ist die sogenannte Massenbilanzierung. „Sie erlaubt es, dass in einem Fairtrade-Produkt auch nicht fair gehandelte Rohstoffe stecken. Das ärgert mich. Das ist doch ein Beschiss am Kunden, der sich etwas anderes erwartet.“

Harte Worte von jemandem, der von Beginn an mit Fairtrade zusammengearbeitet hat und lange Zeit österreichweit der größte Abnehmer von fair gehandelten Kakaobohnen war.

Zotter weiß genau, aus welcher Region, von welchem Bauern seine Bohnen kommen und garantiert, dass dieser zertifiziert fair gehandelte Kakao auch in der Schoko drin ist. Er will deshalb nicht mit der Massenbilanzierung in Verbindung gebracht werden. Ein eigenes Fair-Logo hat er sich patentieren und auf seine Schokotafeln drucken lassen.

„Praktische Gründe“

Fairtrade-Österreich-Chef Hartwig Kirner hat mit der Entscheidung von Zotter freilich wenig Freude. Er verteidigt die so genannte Massenbilanzierung seiner Organisation. Sie habe einen praktischen Hintergrund. Kirner: „Ohne sie müssten die Hersteller entlang der Wertschöpfungskette immer in getrennten Chargen produzieren, was teuer ist. Weil Maschinen abgeschaltet, gereinigt und wieder hochgefahren werden müssen und es einer separaten Lagerhaltung bedarf.“ Unter dem Strich würden so unnötige Kosten entstehen, die der Konsument über höhere Endpreise berappen müsste. Kosten, von denen die Bauern nichts hätten, im Gegenteil. Letztlich würde der Absatz sinken, was den Bauern schadet. Für sie sei es wichtig, dass kontrolliert wird, ob ihre gelieferten Mengen mit den vermarkteten Mengen übereinstimmen, so Kirner: „Das ist gewährleistet. Welche Bohne genau in einer Schokolade steckt, ist aus Sicht der Bauern unwichtig.“

Dass dieser Ansatz für Zotter zu wenig ist, kann Kirner jedoch verstehen. „Zotter positioniert sich mit seinen Ursprungsschokoladen und muss so die genaue Herkunft der Bohnen kennen.“ Das sei verständlich, aber nicht die Regel. Das Massengeschäft am internationalen Schokoladenmarkt funktioniere anders, erläutert der Fairtrade-Österreich-Chef. Zotter würde auf Qualität setzen und für diese oft bis zu zehn Mal höhere Preise als andere Verarbeiter zahlen. Und Zotter macht seine Schokoladenmasse noch selbst, während die Industrie oft nur Halbfertigprodukte, also Kakaopulver, Kakaobutter und Kakaomasse einkaufen. Und zwar dort, wo die Preise gerade günstig sind, sagt Kirner.

Fünf Schoko-Riesen

Derzeit machen fünf Konzerne (Mars, Mondelez, Nestlé, Ferrero, Hershey’s) zwei Drittel des weltweiten Umsatzes mit Schokolade. Winken die Kartellwächter eine Fusion durch, dominieren künftig zwei Verarbeiter (Barry Callebaut und Cargill/ADM) bis zu 80 Prozent der weltweit produzierten Industrieschokolade. Kirner: „Diese Konzentration schwächt die Verhandlungsposition der Bauernfamilien weiter.“

90 Prozent des europäischen Appetits auf Schokolade werden von Lieferanten aus Westafrika gestillt, ein Drittel der Welternte kommt von der Elfenbeinküste. „Dort lebt jeder zweite Kakaobauer unter der Armutsgrenze, hat also weniger als 1,90 US-Dollar am Tag zur Verfügung“, rechnet Kirner vor. Um diesen Bauern zu helfen, sei es nötig, die Nachfrage nach Fairtrade-Schokolade zu steigern.

Den Vorwurf, dass sein Logo mittlerweile auch bei Diskont-Schokoladen einzieht, versteht er nicht. „Die Diskonter setzen große Mengen um, von denen die Bauern natürlich profitieren sollen.“ Eine Rückverfolgbarkeit der Bohnen sei weder gefordert noch finanzierbar. „Fairtrade-Schoko ist wie Ökostrom. Da kommt auch nicht Strom aus Windkraft aus der Dose, man unterstützt das Ökostrom-System.“

Zotter wird allerdings – auch ohne Fairtrade-Logo – künftig mit Fairtrade zusammenarbeiten. Und zwar mit der übergelagerten World Fair Trade Organisation (WFTO). Diese zertifiziert ganze Unternehmen und nicht einzelne Produktlinien. Zotter: „Ich halte Fairtrade ja weiter für eine gute Idee, es ist besser als gar nichts. Aber ich will, dass meine Kunden eine Schokolade bekommen, in der drin ist, was drauf steht.“

Steigende Umsätze

Schokolade und Süßwaren machten im Vorjahr 44 Prozent des Fairtrade-Umsatzes in Österreich aus und sind damit die größte Produktkategorie. In Österreich wurden 2017 rund 2535 Tonnen Fairtrade-Kakaobohnen (plus 11,6 Prozent) eingekauft, etwa von Manner, Heidi Schokolade/Schwedenbomben oder Handelseigenmarken. Der gesamte Fairtrade-Umsatz stieg im Vorjahr um 13 Prozent auf 304 Millionen Euro.

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