Kunst & Schokolade

Bereits seit den frühen 90er-Jahren tüfteln und brüten die beiden Freunde Andreas H. Gratze und Josef Zotter, deren Wege sich in Jugendjahren kreuzten, gemeinsam an ihren Kreationen. Gratzes Hauptverdienst: Er erhob die Verpackung zur Kunst - und gemeinsam schufen die beiden die virtuose Verbindung aus Kunst und Schokolade.

Initialzündung dafür waren Zotters Nikolo- und Krampus-Schokoladen in der Frühphase. Entsetzt ob der biederen Verpackungsentwürfe der beauftragten Agentur, legte Gratze selbst seinen ersten spontanen Entwurf vor. "Für Schlingel" und "Für Brave" bestachen durch Schlichtheit und Humor. Mit dieser Verpackung gelang der Durchbruch, die Schokoladen waren im Nu ausverkauft.

Trotz des Erfolges musste Gratze noch viel Überzeugungsarbeit leisten und viele Widerstände durchbrechen, um seine Gestaltungslinie durchzusetzen. Und den Glauben zu festigen, dass sich ein Sortiment, das auf gestalterische Vielfalt setzt, am Markt behaupten kann.

Andreas H. Gratze mit seinem "Werkzeug"

Andreas H. Gratze erhielt in Düsseldorf den begehrten iF - packaging award 2008 in der Kategorie Verpackungsgrafik. Die Jury wählte ihn aus für seine kreative und witzige grafische Umsetzung der zotterschen Schokoladenkompositionen. Außerdem wurde er für den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland 2009 nominiert.

Im Gespräch mit Josef Zotter und Andreas Gratze

Josef Zotter und Andreas H. Gratze, die seit 20 Jahren Geschmack und Look der Zotter-Schokolade prägen, im Doppel-Interview über die Zusammenarbeit, kreatives Schaffen, Humor und Kunst.

Das Kreativteam: Art-Designer Andreas H. Gratze und Chocolatier Josef Zotter finden auch fürs Telefonieren kreative Lösungen wie Smartphone-Kakaofrüchte

Die Erfolgsgeschichte von Zotter ist die Verbindung von Kunst und Schokolade, oder?
Sepp: Kunst? Wer braucht Kunst? Es geht doch rein um Schokolade.
Andreas: Ach so? Jetzt geht das schon wieder los! Klar kann niemand eine Verpackung essen, trotzdem ist das Design wichtig. Kunst ist wichtig, weil sie unser Hirn trainiert und uns hilft, Dinge anders zu betrachten. Verkauf doch deine Schokoladen eingewickelt in weißes Papier, dann schauen wir mal.
Sepp: Na gut, vielleicht kaufen ein paar Leute die Schokoladen tatsächlich wegen der Bilder, aber 51 % sicher wegen dem Geschmack. (lacht)

Andreas, würdest du überhaupt ein cooles Design für ein schwaches Produkt entwickeln?
Andreas: Nein, darum geht es ja, das muss immer passen. Das Design darf nie besser sein als das Produkt. Nicht jede Zotter-Schokolade muss einem schmecken, aber es ist schon ein super Lebensmittel.

Kunst ist Wahrnehmungsschule, bricht oft mit Konventionen und Grenzen – also machst du auch Kunst, Sepp?
Sepp: Na ja, Kunst ist was Bleibendes, das kann man von Schokolade nicht behaupten.
Andreas: Aber nein, Kunst hat sich schon längst weiterentwickelt. Mit der Land Art, Beuys’ Fettecke, Performance Art hat sich die Kunst längst von bleibenden Kunstwerken verabschiedet. Es geht oft um das Flüchtige und Vergängliche – wie auf der Biennale in Venedig, wo in einem Pavillon ein entwurzelter Baum stand.
Sepp: Aber ich neige schon dazu, wie Andreas sehr experimentell zu denken – mit Blut, Insekten. Das sind Themen, Trends, die ich spannend finde und die wir brauchen, aber ich lasse mich da nicht festlegen. Eine Coffee-Toffee-Schokolade ist halt auch super, und nichts geht über Nougatvariationen. Das ist eben die Spannung, die wir auch im Sortiment haben. Einerseits experimentell, andererseits klassisch.

Skizzen für neue Schokoladenmotive
Der Entwurf für Verjus Grüne Trauben, natürlich mit viel Grün und einem Hauch Jugendstil

Das Sortiment ist so bunt, steckt voller Ideen, Stile und Kreativität, dass häufig die Frage auftaucht, wer eigentlich die Ideen für die Schokoladen entwickelt und welche Künstler (Plural!) für Zotter arbeiten.
Sepp: 
Also wir brauchen wirklich keine Agenturen, eigentlich haben wir sogar zu viele Ideen, aber leider zu wenig Kohle, um sie umzusetzen.
Andreas: Ich will mich stilistisch einfach nicht festlegen. Am Anfang ist immer die weiße Fläche, ein Blatt, und ich lass‘ mich von dem Thema inspirieren; jede Schokolade ist was ganz Eigenständiges. Ich mag die Überraschung, aber keine Wiederholungen.
Sepp: Aber in Wahrheit machen wir immer das Gleiche. Andreas gibt kein Bild raus, bevor? er nicht zufrieden ist. Wir wollen einfach ein ehrliches Produkt abliefern, darum geht es.

Der Übergang zwischen Design und Kunst ist fließend, aber ich denke, den Unterschied macht diese Ehrlichkeit aus. Design ist oft so glatt und so perfekt, da fehlt die Lebendigkeit ...
Andreas: Wenn ich manchmal am Computer zeichne und das Ganze zu glatt wird, dann schmeiß’ ich es weg und fange die Figur noch einmal ganz von vorne an. Ich will schon Leben in den Bildern haben!
Sepp: Ja, wir machen es uns nicht ganz leicht. Wenn man ein Design mit 3 Punkten und einem Strich macht, ist das prägnant, aber wenn man das öfter sieht und kauft, wird es schnell uninteressant. Und bei deinen Bildern erkenne ich wahrscheinlich auch beim tausendsten Mal etwas Neues, das ist genial.
Andreas: Ja, aber du machst das auch. Du könntest auch nur eine Füllung machen, stattdessen machst du Schichten, spielst mit Gewürzen und Geschmackskreuzungen ...
Sepp: Das Einfache gibt es millionenfach.

Andreas, wenn du eine Schokolade entwickeln müsstest, wie würde sie schmecken?
Andreas: (lacht) Das ist schwer ... auf jeden Fall fruchtig, säuerlich. Eine einzige Schokolade ist schwierig, da kann ich mich nicht entscheiden.
Sepp: Säuerlich ist der Trend! Also weg vom Zucker. Ich bin jetzt ganz stolz auf die neue weiße Schokolade, die ist durch die Zuckerreduktion jetzt viel puristischer.

Wir sprechen über Kunst. Wie wichtig ist das Handwerk?
Sepp: Klar, wir brauchen neben Lebensmitteltechnologie auch Handwerk und Leidenschaft, ohne geht's nicht. Weil durch die ganze Fließbandproduktion – Stichwort: Industrie 4.0 – sind Lebensmittel so schlecht wie nie zuvor.  Schau, der Andreas hat zum Drucken vier Farben (CMYK), und wir haben im Prinzip nur vier Grundzutaten: Kakao, Milch, Zucker, Gewürze – und darum dreht sich alles. Daraus machen wir tausend Sachen, der Andreas auch. Er mischt die Farben, und wir mischen den Geschmack.

Andreas, du zeichnest viel im Garten mit Stiften, aber auch viel am Computer: Ist das für dich ein Unterschied?
Andreas: Ja, schon. Ich sitze schon lieber in der Sonne. (beide lachen) Die Figuren entwerfe ich gern im Garten, und ich lasse mich von den Farben der Natur inspirieren, mit all den Blau- und Violetttönen des Himmels, den Grüntönen im Licht- und Schattenspiel. Eigentlich könnte ich die Bilder gleich im Garten fertigstellen, aber beim Digitalisieren verändern sich die Farben sehr stark. Deshalb setze ich Farben direkt am Computer ein. Aber am Apple arbeite ich auch nur mit einem Stift in der Hand und nie mit der Maus. Also vom Gefühl her ist es kein großer Unterschied.
Der Computer ist einfach ein Werkzeug. Das hat sich auch in der Kunst geändert, es gibt ein neues Zeitalter, und ich meine, Andy Warhol ist mit Print berühmt geworden.
Sepp: Die Serialität.
Andreas: Ja, der Warhol hat die Serialität aus der Werbung in die Kunst gebracht. Und wir machen es genau andersherum. Wir bringen die Kunst zum Produkt.

Ihr arbeitet schon seit zwei Jahrzehnten zusammen. Wie fühlt sich das an?
Sepp: Wir sind wie ein Ehepaar, sexuell im besten Alter.
Andreas: Sepp geht zwar immer wieder fremd, aber ...
(Lachen)
Sepp: Ja, Schokolade ist was Verbotenes. Deshalb braucht der Zotter den Gratze, der dauernd die Leute verführt.
 

Zu den Personen

Andreas H. Gratze (Jg. 1963) ist freischaffender Künstler und Grafiker. Er erfand das markante Corporate Design für Zotter und hat mittlerweile Tausende von Schokoladendesigns gezeichnet. Er lebt in Graz, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Josef Zotter (Jg. 1961) ist Chocolatier, Andersmacher und Bio-Landwirt. Er setzt auf Bio, fairen Handel und Bean-to-Bar. Seit den 1980er Jahren arbeitet er mit seinem Freund Andreas Gratze zusammen. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Zur Artikel-Übersicht