Josef Zotter im WOMAN-Interview, erschienen in der Print-Ausgabe vom 6. Mai 2021, Autorin: Melanie Zingl
Andersmacher. So sieht sich Unternehmer Josef Zotter, 60, selbst am liebsten, auch in der Krise: "Wir müssen mit positivem Beispiel weitermachen. Die größte Gefahr ist, dass wir in einen Stillstand verfallen."
Herr Zotter, sehen Sie die Dinge eigentlich immer halb so schlimm oder doppelt so gut wie alle anderen?
JOSEF ZOTTER: Wenn du gefragt wirst: "Wie geht es dir?", darfst du eigentlich nie sagen, dass alles gut ist, weil es die Leute irritiert. Deshalb antworte ich immer: "Danke, es geht eh schlecht." Dann fühlen sich die anderen besser. (lacht) Spaß beseite: Ich sage jetzt nicht, dass jede Krise eine Chance ist, aber ich bin davon überzeugt, dass nicht alles Krise ist. Schlimm ist es, wenn du krank bist, auf der Intensivstation liegst oder dort eventuell keinen Platz bekommst. In allen anderen Fällen sollten wir aufhören, uns dauernd einzureden, dass alles furchtbar ist, und mit positivem Beispiel weitermachen. Nur so kommen wir da wieder raus. Die größte Gefahr ist, dass wir jetzt in einen Stillstand verfallen.
Aber ist das nicht auch ein bisschen zynisch, wenn man bedenkt, wie viele Leute ihren Job verloren haben und gerade nicht wissen, wie sie ihr Leben bestreiten sollen?
Das stimmt schon: Wenn man das Maul voll hat, kann man leicht sagen, dass man auf etwas verzichten oder umdenken muss. Aber als soziale Gemeinschaft müssen wir da zusammenhalten. Unsere Gesellschaft braucht eine Maximierung der Menschlichkeit. Wir sind alle ganz betroffen, wenn wir Bilder aus Ländern sehen, in denen zum Beispiel unsere Kleidung hergestellt wird. Warum arbeiten wir nicht längst an einer globalen Gerechtigkeit und verteilen unseren Wohlstand besser? Ich setze mich ja auch sehr für diese Themen ein, habe Flüchtlingsfamilien aufgenommen und würde das auch wieder tun. Das macht mich nicht ärmer, ich kann es mir leisten. Und klar ist für mich auch: Wir schaffen diese Herausforderungen nur gemeinsam.
Was genau soll sich noch verändern?
Wir hatten alle mehr Zeit zum Nachdenken, und viele stellen sich momentan die Sinnfrage: Wozu sind wir da? In welchem Wirtschaftssystem leben wir? Und wieso haben wir eigentlich alle immer so einen Stress? Jetzt ist eine gute Zeit für notwendige Veränderungen. Die Leute haben sogar eine Sehnsucht danach. Wir arbeiten schon lange im Bio-Segment, da hat es früher oft geheißen: "Das wird eh nix, von Bio kann man die Welt nicht ernähren." Mittlerweile gibt es da ein unglaubliches Potenzial. Wir müssen uns auf Qualität fokussieren und Produkte herstellen, die reparierbar sind. Sonst schaffen wir es ökologisch nicht. Gut, wir werden den Klimawandel nicht aufhalten können, aber wir müssen ihn ja nicht noch mehr beschleunigen.
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photo credit: (c) Lukas Beck