Als das VinziTel in Graz vor 15 Jahren gegründet wurde, war Armut noch offensichtlicher. Der typische Obdachlose vom Bahnhof oder unter der Brücke, besoffen und in zerrissenen Kleidern, war auch in der Stadt an der Mur sichtbar. Nach 15 Jahren hat sich das geändert, zum Teil zum Guten, aber leider ist die jetzige Armut dieselbe, nur etwas unsichtbarer geworden.
Das VinziTel funktioniert so: Man kommt hin, bezahlt einen (symbolischen) Euro und kann dort leben, auf eine bestimmte Zeit. Es ist wie ein einfaches Hotel geführt…um das Gefühl zu vermitteln, man kann hier für kurze Zeit einziehen. Das ist notwendig, da sich viele Menschen aus verschiedensten Gründen eine Wohnung nicht mehr leisten können, beispielsweise wegen Delogierung. Die Sozialarbeiter vor Ort geben ihr Bestes, um den Menschen zu helfen. Und tatsächlich: Es funktioniert. Die Armut in ihrer offensichtlichsten Form des Clochards ist von den Straßen Graz' fast verschwunden. Heute schaut Armut allerdings ganz anders aus, diese ist nicht mehr so offensichtlich zu sehen.
Ich versuche auch immer wieder ein wenig zu unterstützen, weil ich ganz genau weiß, wie schnell es gehen kann, dass man auf der Straße steht. Ich war auch schon einmal knapp davor, als ich mit meinem Unternehmen in den 90 er Jahren Pleite ging.
Bemerkenswert ist, dass das VinziTel eine mehr als 100 %ige Auslastung hat. Und es kommen nicht mehr die Menschen in zerrissener Kleidung mit Alkoholproblem. Nein, sogar typische Anzugträger kommen. Eine Scheidung, Unterhalt, Jobverlust – der Weg in die finanzielle Misere ist leider ein sehr schneller. Vor allem fallen sehr viele Menschen durch psychische Probleme in die Armutsfalle.
Was ich an der Vinzenzgemeinschaft so toll finde, dass da nicht mit dem Finger auf jemanden gezeigt, sondern einfach das Gefühl vermittelt wird, dass jeder Mensch gleich ist, wenn es um die Mindestbedürfnisse wie Essen und Schlafen geht. Die Menschen, die in finanzielle Schieflage geraten, können da auch wieder hinauskommen, sie ziehen wieder aus. VinziTel sollte nur eine kurze Zwischenstation sein, um wieder die Kräfte zu sammeln.
Wir haben ja in Österreich ein gutes Netzwerk an Unterstützungen, angefangen bei der Mindestsicherung, über Schuldnerberatung und das AMS, das ja auch hilft, möglicherweise etwas Neues zu lernen oder einfach von vorne zu beginnen. Muss man auch einmal sagen.
Dass die Zeiten nicht einfacher geworden sind, mag stimmen. Aber Armut hat heute ein neues Gesicht bekommen.