Ein Rückblick von Josef Zotter
Innovationen entstehen immer dann, wenn man Lösungen braucht. Ich habe in unserer Konditorei in den 90er Jahren auch schon Tafelschokolade gemacht, diese wurde in Formen gegossen. Aber dann kam ein großer Auftrag und ich hatte zu wenig Gussformen. So habe ich improvisiert und auf einem Tisch zwischen zwei Vorhangstangen eine große Tafel mit verschiedenen Schichten gemacht. Mit Kürbiskernen und Gewürzen bestreut, dann in kleine Tafeln geschnitten und mit Schokolade überzogen. Nervös war ich schon, denn diese Lösung hatte der Kunde nicht bestellt, aber alle liebten diese neue Schokolade. Sogar die Zeitung hat gefragt, wie ich das mache und ich habe erklärt, es sei ähnlich wie bei handgeschöpftem Papier, es wird in Schichten aufgetragen. So ist die handgeschöpfte Schokolade entstanden. Das Prinzip ist heute noch das gleiche.
Mittlerweile haben wir ungefähr 1.500 Rezepte entwickelt und wir haben es geschafft, alle Füllschichten auch selbst herzustellen, wie Marzipan, Gelees, Ganachen und Nougats. Das hätten wir vor 30 Jahren nicht gedacht. Aber damit ist auch die Experimentierfreude gestiegen, da ergeben sich Trends und neue Möglichkeiten, ohne Kompromisse in Qualität und Vielfalt.
Ich habe angefangen meine Ideen, in einem Ideenbuch einzufangen. Da stehen Stichworte oder Wortkreationen drinnen, die sammle ich wie Momentaufnahmen. Wenn Julia und ich das neue Sortiment besprechen, ist das ein spannender Denkprozess. Wir diskutieren unsere Kreationen, entwerfen dazu Konsistenz und Aromen, würzen mit Gegensätzen und setzen der Kreation noch ein Highlight auf. Gerade fällt mir Haselnuss und Rotkraut ein, das könnte man karamellisieren und einstreuen, oder hier habe ich mal Blutorange notiert – mit der Idee aus Blut und Orange, Safran Gries, Zigarrenbrand. Oder Roggenbrot und Salz für Liebeskranke und Seelenheuler, keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe. Manchmal bin ich von einer Idee begeistert, aber nach einiger Zeit ist sie nicht mehr so prickelnd. Zum Glück kann die Idee im Buch abkühlen. Manches geht mir aber nicht mehr aus dem Kopf, da bleibt was hängen, löst Assoziationen und Erinnerungen aus.
Darum geht’s auch beim Naschen. Die Harmonie am Gaumen und was danach passiert durch Geruch, Konsistenz und dem Unerwartetem wie Zitrusnoten oder Chili, oder auch knusprige Elemente als Highlights. Es geht immer um ein sinnliches Erlebnis, viel passiert im Kopf wie eine Inszenierung. Man könnte auch alles zusammenrühren und pürieren, aber dann wäre das Erlebnis sehr flach, durch die Schichten bekommt eine neue Sorte ein ganzes Aromenspektrum, das ist das Geniale!
Dann gibt’s auch Wortspiele, die ich notiere, wie Glockenturm, Eierschwammerl, Herrenpilz, dazu habe ich Bilder im Kopf, aber dabei wird es auch bleiben. Oder Insektenmehl mit Sauerkrautsaft, das produzieren wir wahrscheinlich nicht, eine Fisch-Schokolade gab es allerdings schon. Aber ein politisches Statement wie „Bergl statt Ibiza“ war mir ein Bedürfnis, dazu musste ich ein Rezept entwerfen. In diesem Buch sind meine echten Memoiren festgehalten, es kann sie nur kein anderer lesen, denn es sind ja nur Stichworte meiner Gedanken.