Wenn die Tage kürzer werden und wieder ein sehr ereignisreiches Jahr zu Ende geht, dann ist ein guter Zeitpunkt, um zu reflektieren, was gut ist und was sich plötzlich anders anfühlt. Josef Zotter erzählt, was ihm gerade jetzt wichtig ist.
Meine Eltern hatten früher ein kleines Gasthaus hier in Riegersburg, wo heute unsere Schokofabrik steht. Und einige der schönsten Erlebnisse meiner Kindheit haben mit einer geheimen Schublade in genau diesem Gasthaus zu tun. Sie war immer verschlossen und wurde nur zu besonderen Anlässen geöffnet.
Wie einen Schatz hüteten meine Eltern darin einen kleinen Vorrat an Schokolade. Wir nannten sie die Schoko-Lade. Wenn ich in der Volksschule eine besonders gute Note hatte oder brav Holz geschleppt hatte, wurde sie feierlich geöffnet und ich bekam ein einziges kleines Stückerl. Für mich war Schokolade damals etwas sehr Besonderes. Etwas Feierliches. Und gerade deshalb so sensationell gut, weil es sie selten gab.
Was früher Genuss war, ist heute in vielen Bereichen zur Selbstverständlichkeit geworden. Alles ist immer verfügbar und immer zu haben: Wein, Schokolade, Fleisch und vieles mehr. Damit verliert es doch auch an Bedeutung. Ich frage mich, was dann überhaupt noch ein Genussmittel ist?
Sicher, das Besondere, Außergewöhnliche ist für jeden und jede etwas anderes. Genuss zu definieren wäre fast so schwierig, wie über Vorlieben zu streiten. Dieser ist stimmungsabhängig und so individuell wie jeder einzelne von uns. Während ein gut gereifter Pecorino für den einen der Himmel auf Erden ist, graust es der anderen vor dem käsigen Aroma. Die eine genießt es, in der Sonne zu liegen, dem anderen taugen eher schweißtreibende Radtouren. Aber es muss etwas Besonderes, nicht Alltägliches sein. Das kann ein Kunstobjekt sein, das uns fasziniert und fesselt. Oder ein Vogelzwitschern, das wir plötzlich wieder wahrnehmen.
Für mich ist Genuss auch, wenn ich nachts in aller Ruhe die Sterne am Himmel beobachte. Aus diesem Sternderlschauen ziehe ich meine Kreativität. Ich glaube, kreativ kann man nur sein, wenn man auch einmal innehält und sich konzentriert. Man kann es auch träumen nennen. Und das schönste daran ist das Aufwachen. Weil man plötzlich wacher auf die kleine Welt blickt, die einen umgibt. Wir können riechen, sehen, tasten, fühlen und hören. Genuss kann über verschiedene Wahrnehmungsebenen stattfinden und mehrere Sinne gleichzeitig ansprechen, wenn wir das zulassen. Der springende Punkt ist, dass wir das Besondere in diesem Moment erkennen und als Genuss empfinden. Wenn es z.B. um den Genuss von Schokolade geht, kann ich jedem eines sehr ans Herz legen: „Riecht zuerst daran, seht euch die Schokolade genau an, beißt hinein, schließt die Augen und lasst die Schokolade im Mund ganz langsam schmelzen. Nehmt euch Zeit, das ist Genuss der Extraklasse.“
Es geht also, wie in so vielen Bereichen, um die Langsamkeit. Dazu braucht man auch Mut.
Ich glaube, Genuss hat auch viel mit Persönlichkeit zu tun, mit Bescheidenheit und mit Konzentration. Aber so selbstverständlich, wie es jetzt bei mir vielleicht klingt, ist das mit dem Genuss gar nicht. Unsere Ernährung hat sich nämlich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert, es wurde auf Schnelligkeit und Masse optimiert. Zum Glück kommen heute immer mehr Menschen drauf, dass es auch anders geht. Heute folgt Genuss zunehmend anderen Parametern. Wir spüren, dass er viel mit Qualität, Regionalität, Saisonalität und Fairness zu tun hat. Und auch mit einer neuen Bescheidenheit, die uns hilft, weniger zu konsumieren, bewusster zu essen und viel intensiver zu genießen. Das tut nicht nur unserer Seele gut, sondern auch unserem Körper und dem Klima.
Ich genieße es umso mehr, wenn ich Zeit habe für eine Mahlzeit. Ich kann ganze vier Stunden lang essen und das so richtig zelebrieren. Schön aufdecken, ein nettes Ambiente, Blumen am Tisch. Da wird das Essen fast zur Nebensache. Es geht um den Genuss und den feierlichen Anlass. Wie damals bei der Schoko-Lade.
Und zu Weihnachten? – da machen wir es genau so – und das macht Weihnachten für mich zu etwas ganz Besonderem. Wir kommen zusammen, haben Zeit füreinander und dann gibt es auch etwas ganz besonders Gutes zu essen – darauf freuen wir, meine Familie und ich, uns schon sehr. Die Vorfreude ist schon groß, man kann es kaum erwarten – aber bald ist Weihnachten!