Bericht im Männer-Lifestyle-Magazin WIENER anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der handgeschöpften Schokolade, erschienen in der Print-Ausgabe 05/2022 ("Die Luxus-Ausgabe") im November 2022, Autor: Roland Graf
Statt der Geburtstagstorte gibt es Schweineblut und Forelle, in einer Schokolade verpackt. Es feiert schließlich Josef Zotter, Chocolatier und selbst ernannter "Andersmacher": 30 Jahre süßer Wahnsinn.
Die strengste Kundin in Josef Zotters damaliger Grazer Konditorei war uralt. Vor allem aber war die Französin gefürchtet beim Personal des Cafés. "Immer fand sie etwas, das ihr missfiel", erinnerte sich "Sepp" Zotter in unserem letzten Gespräch an die Anfänge der handgeschöpften Schokolade, die es heute in 4.000 Verkaufsstellen gibt. Die Dame war schließlich auch eine urbane Meinungsführerin – als ehemalige Klavierlehrerin des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Und ausgerechnet sie kaufte die ersten Schokoladen weg, die Zotter 1992 "auf einem Tisch zwischen zwei Vorhangstangen" produziert hatte. Die ungewöhnliche Erzeugungsmethode hatte einen profanen Grund. Dem Chocolatier waren schlicht die kleinen Gussformen ausgegangen. Also wurde es eine riesige Tafel, die wieder in Stücke geschnitten wurde, deren Ränder er dann listig mit flüssiger Schokolade versiegelte. Die Erkenntnis sollte Folgen haben: Auch so lassen sich kleine Schokos erzeugen.
"Da haben Sie endlich etwas richtig gemacht", ließ ihn die ewige Kritikerin kurz darauf wissen. Das stimmte, auch wenn ssie nicht mehr erleben sollte, wie aus der grünen 70 Gramm-Tafel mit der Aufschrift "Kürbiskrokant und Gewürze" 1.500 Rezepturen werden sollten. So viele hat man in der Manufaktur bis heute erarbeitet, schätzt Zotter. Dafür bekam die Erfindung anno 1992 auch schnell einen Namen. Denn die eigentliche Bestellerin war total begeistert, alle wollten wissen, was der Zotter da jetzt genau anders macht. "Um es irgendwie zu erklären, habe ich gesagt: Schicht für Schicht, wie bei handgeschöpftem Papier".
Aktuell werden 500 Artikel angeboten, die längst über die eigentlichen Schokotafeln hinausgehen. Doch das Prinzip ist geblieben, auch wenn Gründer-Tochter Julia Zotter einen Fortschritt gegenüber den Anfangstagen anspricht: "Wir können uns heute Texturen ausdenken, die vor 30 Jahren nicht möglich waren." Denn mittlerweile wird in Bergl bei Riegersburg jede Schicht selbst produziert, egal ob die Schokolade, Fruchtfüllungen, Nougat, Karamell, Marzipan oder Toffee. Das zieht auch die staunenden Besucher ins steirische Vulkanland, das in den Jahrzehnten davor lieber per Autobahn umfahren wurde. Zwischen 160 und 200.000 Gäste verfolgen jährlich die "Schoko-Werdung" in der Manufaktur nahe der Riegersburg. Rund herum reihen sich mittlerweile andere Genussproduzenten auf – vom Käsereifer bis zum Sekterzeuger. Denn wer schlau ist, siedelt sich rund um den garantierten Frequenzbringer an.
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photo credit: (c) Graeme Kennedy