Josef Zotter im Schwerpunkt-Interview mit "Weiterbildung – Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends" (Ausgabe 5/2020), Autor: Rudolf Egger
Innovationen brauchen Kreativität, Mut und vor allem aber die Bereitschaft, Gegenwind und Krisen auszuhalten. Dies hat der Österreicher Josef Zotter schnell erkannt, und das hat ihn dazu gebracht, mit seinem Unternehmen ungewohnte Wege zu gehen. Weg vom Mainstream und nicht auf den schnellen Gewinn fixiert, führt er als Ideengeber und Chef seine Schokoladen-Manufaktur in der Steiermark und begeistert seine Kunden mit einer außergewöhnlichen Vielfalt an innovativen Kreationen.
Weiterbildung: Herr Zotter, Sie bezeichnen sich als Chocolatier, Andersmacher und Bauernhofromantiker. Wann haben Sie den Mut gefasst, die althergebrachten Wege des Produzierens zu verlassen?
JOSEF ZOTTER: Das war keine göttliche Eingebung, sondern das liegt in der Natur der Sache. Wir sind ja unser Produkt: Schokolade. Als ich das gestartet habe, war mir schnell klar, dass es nur noch „Riesen" am Schokolademarkt gibt. Da habe ich gar keine Marktanalyse gebraucht, um zu begreifen: Je größer du als Unternehmen bist, desto effizienter musst du den Mainstream bedienen. Denn du brauchst ja einen großen Markt, und da lässt man zwangsläufig etwas liegen, das du nicht bedienen kannst oder willst. Und da ist immer eine Chance für neue Produkte. Aber die heutigen Startups machen alle den gleichen Fehler: Die wollen alle sofort das schnelle Wachstum, und schon sind sie auf dem Weg zum Mainstream und vergessen darauf, etwas wirklich Interessantes zu machen. Ich sage dazu immer „mittelsuper". Ich habe mich immer gleich an den Rand bewegt. Das war damals bei der Schokolade eben die Vielfalt, denn der Großteil hat nur das Gleiche gemacht und dabei die Schokolade von den Möglichkeiten, die in ihr stecken, total armselig gemacht. Das haben die Großen schon gewusst, aber die haben das nicht aufgegriffen, weil ihnen zehn Prozent Marktanteil zu wenig waren.
Viele Menschen haben eine Idee, es fällt ihnen was ein und sie beginnen auch. Aber was passiert dann?
Ich bin ja derzeit irritiert, zum Beispiel über die Weltbank oder die Zentralbanken, die einfach so mit Geld herumschmeißen, da glaubt man ja, das Geld ist abgeschafft. Als Unternehmer bist du dauernd am Ausloten, musst die Strömungen lesen können und dich dabei als Unternehmen positionieren und auch eine Geschichten erzählen. Es geht bei uns immer um Ideen und Geschichten, aber ich bin auch ein Oldstyle-Unternehmer, der normal wirtschaftlich agiert. Wir haben das Unternehmen von klein aufgebaut, haben irgendwann Gewinne gemacht und danach wieder investiert. Ich bin auch pleite gegangen in den 90er-Jahren und habe damals zwölf Prozent Zinsen bezahlt. Und jetzt gibt es schon lange keine Zinsen mehr. Und deshalb ist es auch im Moment wahnsinnig schwierig für junge Leute, weil einerseits die Großen vieles zudecken, und andererseits haben die jungen Leute zwar clevere Ideen, aber nicht mehr diesen Spirit, dass sie eine Idee langsam wachsen lassen. 95 Prozent zu schaffen ist relativ leicht, aber entscheidend sind die letzten fünf Prozent. Das ist wie im Sport. Die meisten konstruieren oder planen nur noch und versuchen sofort Investoren zu finden, um früh groß zu werden. Die jetzigen Förderungen, über so lange Zeit, führen aus meiner Sicht dazu, dass die Leute auch ideenfaul werden. Sie müssen ja nicht kämpfen, es ist ja für alles gesorgt. Wenn du als Unternehmer das nicht aushältst, drei oder vier Monate Krise, dann bist du im Normalfall kein Unternehmer.
Das erinnert an einen Surfer, der den Gegenwind aufnimmt. Was ist, wenn, der Gegenwind fehlt?
Genau, das klingt paradox, aber es ist so. Du brauchst den Gegenwind. Und das ist das, was viele junge Leute über eine längere Zeit nicht wirklich innovativ werden lässt. Das ist kein Vorwurf, denn die sehen alle nur die schnellen Crowdfinanzierungen, die Fernsehshows, "2 Minuten, 2 Millionen". Aber das sind Illusionen. Das führt nur dazu, dass man von vornherein einen Businessplan macht, um so schnell als möglich in die Mitte des Kuchens zu kommen, nicht an den Rand oder an die Spitze. Und du wirst auch dadurch ängstlicher und auch blöder und weniger kreativ. Da ersetzt der Businessplan die Kreativität: Wir wollen in Österreich zwei Millionen Riegel im ersten Jahr absetzen, im zweiten Jahr drei Millionen, und im dritten Jahr gehen wir in den deutsc.hen Markt, der ist zehn mal so groß, und dann gehen wir auf 40 Millionen. Diese Rechnung kann man schon machen. Nur brauchst du auch Kunden dazu, die du begeistern kannst, denen deine Geschichte gefällt. Aber eine Geschichte kriegst du halt nicht durch einen Plan, sondern nur durch etwas Lebendiges. Das kann man mit Werbung anstoßen, aber nur begrenzt. (...)
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photo credit: (c) Heinz Tesarek