Freitag Morgen. Landeanflug auf Quito. Wolken hängen über der Stadt doch dazwischen öffnen sich immer wieder Blicke auf die Stadt. Ich erkenne die Altstadt, die Engelstatue am Pancillo, erblicke den Gipfel des Pichincha Vulkans und auf einmal kommen wieder all die Bilder zurück. Über ein Jahr lang habe ich in Ecuador gelebt und mit Straßenkindern gearbeitet; irgendwie wurde das Land meine Heimat. Und dann kam ich vor zehn Jahren zu Fuß in Quito an...nachdem ich die ganze königliche Inkastraße entlang der Anden erwandert hatte, 3000 km Alleinsein und Wildnis! Spannend hierher zurückzukehren...
Nun steht eine lange Reise vor mir; sie soll mich von Ecuador bis Paraguay führen. Unterwegs werde ich Kakaokooperativen besuchen, will aber auch "exotische" Lieferanten, die Maca, Paranüsse oder Acai anbauen kennenlernen...und den Abschluss wird eine Zuckerrohrkooperative in Paraguay bilden. Dazwischen liegen tausende Kilometer und ich habe keine Ahnung ob dieser Weg überhaupt zu schaffen ist. Ich habe von großen Überschwemmungen im Amazonasgebiet von Bolivien erfahren, einige Bauern haben auch noch immer nicht auf meine Emailanfrage bezüglich eines Besuchs zurückgeschrieben und es steht in den Sternen ob wir uns überhaupt treffen werden. Lateinamerika eben, vieles ist offen, es gilt zu vertrauen, sich auf den Weg einlassen und dann wird es schon gelingen!
Ich miete mich im Cafecito im Stadtteil Mariscal von Quito ein. Es ist eine nette Unterkunft mit einer gemütlichen Bar. Hier habe ich vor zehn Jahren am Ende meiner Inkastraßenwanderung eine Nacht durchgefeiert – aus großer Dankbarkeit an das Leben! Es ist interessant an eine Ort mit so viel Erinnerungen zurückzukehren und natürlich ist alles anders. Die Freunde von früher sind längst weitergezogen: Vergänglichkeit – das Los des Reisenden. Immer wieder zeigt mir das unterwegs sein auf, dass es nichts Beständiges gibt und das Festhalten an Vergangenem bloß Leid erzeugen würde. Doch die Praxis... Der Verstand weiß Bescheid aber das Herz fühlt manchmal doch ganz anders. Und doch... ist es magisch wieder in Quito zu sein. Am nächsten Morgen geht es mit dem Bus weiter nach Santo Domingo de los Colorados. Ich besuche dort Freunde und ich habe auch gehört, dass es in der Umgebung der Stadt einige Kakaoplantagen geben soll – keine einzige zwar, die an Zotter liefert aber ich verspüre das Bedürfnis auch einmal einen Produzenten kennenzulernen, der nicht bio- und fairtrade zertifiziert ist.
Cesar Reyes hat eine 900 Hektar große Hacienda einige Kilometer außerhalb von Santo Domingo de los Colorados, einer großen Stadt im Küstentiefland von Ecuador. Auf einem Drittel der Fläche baut er seit 12 Jahren Ecuadors berühmten Cacao Nacional an. Cesar spricht viel von Biolandbau, davon dass die Chemie schädlich für die Pflanzen- und Tierwelt sei und dass man den Schädlinge auch ohne Chemieeinsatz Herr werden könne. So sei die "Escobar de bruja" (die Hexenbesenkrankheit) am besten dadurch unter Kontrolle zu bringen, indem man die Kakaoplantage regelmäßig auf befallene Äste untersucht. Bei der Hexenbesenkrankheit beginnt der Ast des Kakaobaums am äußeren Ende zu verfaulen und mit der Zeit breitet sich die Krankheit auf den ganzen Baum aus. Schneidet man den schadhaften Zweig jedoch rechtzeitig ab so geschieht gar nichts. Außerdem hilft es wenn die Bäume nicht so dicht gesetzt sind und genügend frische Luft zirkulieren kann. Das reduziert auch den Pilzbefall der Kakaobohnen. Das Problem sei also vordergründig die Profitgier: pflanzt man zu viele Kakaobäume auf engem Raum und und will man wenig Geld für die regelmäßige Pflege der Bäume ausgeben so bleibt nur der Einsatz der Chemie.
Und warum ist Cesar Reyes dann trotzdem nicht biozertifiziert? möchte ich wissen. Er hätte sich nie darum gekümmert, meint er, und außerdem könne er die Kakaobohnen auch ohne Biozertifizierung gut verkaufen, denn der Kakao nacional ist auf dem Weltmarkt sehr gefragt. Diese Kakaosorte gibt es nur in Ecuador und sie war früher weit verbreitet; doch in den letzte Jahren wurde sie zunehmend vom ertragreicheren CCN-51-Kakao ersetzt: dabei handelt es sich um eine spezielle Kreuzung zwischen Criollo und Forasterobohnen, die von Homero Castro, einem findigen Kakaobauern in Ecuador gezüchtet wurde und die sich seither in ganz Südamerika ausbreitet. Da sie bis zum vierfachen Ertrag der ursprünglichen Criollokakaobäume bietet ( Criollo (span. ‚Einheimischer, Kreole‘) ist eine Varietät des Kakaobaumes. Man geht davon aus, dass alle Kakaosorten von den beiden Grundtypen Criollo und Forastero abstammen. Der Criollo gilt als die Edelste unter den Kakaosorten, da die Kakaobohnen wenig Bitterstoffe (Polyphenole) und einen geringen Säuregehalt haben. Da diese Kakaopflanze nicht in Monokulturen, sondern zum Sonnenschutz nur in Mischbepflanzung wächst, entwickeln sie angenehme Nebenaromen, die je nach Sorte z.B. an Nüsse, Karamell, Waldbeeren oder Tabak erinnern. Allerdings sind diese Kakaobäume weniger ertragreich als die Hauptsorten des Forastero (auch Amazonica genannt) und oftmals anfällig gegenüber Pilzen und Schädlingen, weshalb Criollo-Kakaos auf dem Weltmarkt kaum eine Bedeutung haben. Der Anteil aller Edelkakaos inkl. Criollo an der Weltproduktion beträgt rund 5 %. (Quelle: Wikipedia)) , werden landläufig die heimischen Bäume gefällt und durch die neue Züchtung ersetzt. CCN-51 hat allerdings einen großen Nachteil: der Säuregehalt der Bohnen ist bedeutend höher als bei Criollokakao und daher müssen die Bohnen statt 3 oder 4 Tagen bis zu acht Tagen fermentiert werden; um die hohe Säure abzubauen. Das führt aber wiederum dazu, dass durch die lange Fermentation auch wertvolle Aromastoffe verloren gehen und die Kakaobohnen am Ende eher langweilig schmecken!
Am Ende meines Besuchs bei Cesar Reyes wurde mir aber schließlich klar warum seine Landwirtschaft nicht biozertifiziert ist. Wir besuchten eine Parzelle auf der er gerade junge Kakaobäume gepflanzt hatte. Rund um die Setzlinge war die Wiese verbrannt und ich fragte woher das komme? Cesar antworte: "Glyphosphat" - aber es ist biologisch abbaubar! Da bemerkte ich, dass sich Cesar etwas vormacht, denn es stimmt einfach nicht. Von meinem Studium der Umweltwissenschaften an der Universität Lund weiß ich das es sich dabei um eine chemisches Spritzmittel mit gravierenden Folgen auf die Gesundheit der Menschen und die Umwelt handelt. Dabei könnte es so einfach ersetzt werden: es vernichtet nämlich nur die Gräser, die rund um die Kakaobäume wachsen. Sind die Kakaosetzlinge noch klein, besteht die Gefahr, dass sie von den Pflanzen rundherum überwuchert und verdrängt werden; doch man müsste einfach das Gras rund um die Bäume mähen – und das nur zu Beginn des Lebenszyklus eines Kakaobaums denn ist dieser erst einmal größer, so beeinträchtigt das Gras seinen Wuchs nicht mehr. Sense heißt das Zauberwort: das Gras müsste einfach nur gemäht werden.
Um eine Erkenntnis reicher reiste weiter: hatte ich doch bereits auf der Biofachmesse in Nürnberg Umberto Zambrano von der Bio- und Fairtrade Kakaokooperative "Fortaleza del Valle" kennengelernt. Er hatte mich eingeladen, auf meiner Reise nach Südamerika bei ihm vorbeizuschauen, um den Bioanbau von Cacao Nacional zu dokumentieren.
Die Heimat des Kakaos ist das Unterholz der Regenwälder, denn zum Gedeihen braucht die "Speise der Götter" tropisch-feuchtes Klima und den Schatten hoher Nachbarbäume. Unter dem Schirm des Regenwaldes entfaltet die Kakaofrucht das beste Aroma. Cacao nacional, manchmal auch unter der Bezeichnung "Arriba" gehandelt, wächst nur in Ecuador und zählt zu den edelsten Aromakakaos der Welt. Er hat sich dort eigenständig entwickelt und vielfältige Aroma-Merkmale hervorgebracht. Aber cacao nacional wird vielerorts durch produktivere neue Züchtungen verdrängt, die auf großen, schattenlosen Plantagen angebaut werden – der Wald und das Aroma bleiben auf der Strecke.
Diesem Trend widersetzt sich die Kooperative Fortaleza del Valle und trägt mit ihrem Projekt einzig und alleine Cacao Nacional in Bioqualität anzubauen dazu bei den cacao nacional zu erhalten. Je nachdem mit welchen Schattenbäumen zusammen der Cacao Nacional angebaut wird, nimmt die Kakaobohne die entsprechenden Aromen an, seien es Avocados, Kaffee, Zitrusfrüchte oder Nüsse. Der Kakaobaum kommuniziert über die Wurzeln mit den Nachbarbäumen und tauscht dadurch Informationen aus!
In der Frucht sind die Bohnen in einem musigen Fruchtfleisch eingebettet. Die Urvölker verwendeten Palmblätter, die sie auf em Boden auslegten, um die im Fruchtfleisch eingeschlossenen Bohnen darauf auszulegen. Nach drei bis fünf Tagen war das Fruchtfleisch so warm geworden, dass die Bohnen bereits zu keimen begannen und das Fruchtfleisch fermentierte. Der Kakoa nacional wird heutzutage in Holzkisten fermentiert. In der ersten Kiste verweilt er 48 Stunden, danach kommt er für 24 Stunden in die nächste Kiste und wird beim Umleeren gewendet und zum Abschluss ruht er nochmals für 24 Stunden in einer anderen Kiste. Während des Fermentationsprozesses verflüssigt sich das Fruchtfleisch zu einer essigähnliche Substanz, die von der Kakaobohne ausgenommen wird. Dadurch entstehen wichtig Amonisäuren, und die Bohne entwickelt einen intensiven Schokoladengeschmack. Wird der Kakao kürzer fermentiert, dann bleiben die Aromen des Kakao weitgehend erhalten. Um in der Folge noch stärkere Nussaromen auszubilden wird der Kakao nach dem Fermentationsprozess in Holzkisten ausgebreitet und getrocknet. Weil nicht jeder Konsument die ausgeprägten Nussaromen schätzt wird ein Teil der Kakaobohnen auch auf feinmaschigen Gittern getrocknet. Da die Luft in diesem Fall auch von unten die Bohnen trocken kann ist der Trocknungsprozess dadurch bedeutend schneller als auf den Holzbrettern.
Die Kooperative "Fortaleza del Valle" im Küstentiefland Ecuadors besteht seit 2005. Damals wurde sie als eine Genossenschaft mit 60 Mitgliedern gegründet, um den Kakao zu verarbeiten und zu vermarkten. Seither ist die Gemeinschaft stetig gewachsen und zählt mittlerweile bereits 940 Mitglieder. Dank der Fairtrade Prämie von 200 USD pro Tonne verkauftem Kakao kann die Kooperative noch weitere Aufgaben übernehmen, die über die Vermarktung hinausgehen. Gemeinsam mit den Bauern werden die Bedürfnisse jedes Einzelnen analysiert, um herauszufinden wie der Anbau, die Qualität und die Produktion verbessert werden können. Den Bauern werden Kleinkredite für Investitionen zur Verfügung gestellt, es gibt gut organisierte Fortbildungskurse in Biolandbau und zur Verbesserung der Qualität. So beschäftigt die Kooperative 14 Techniker, die Genossenschaftsmitglieder in Biolandbau ausbilden. Zu Weihnachten bekommt jedes Genossenschaftsmitglied einen Geschenkkorb, es gibt eine medizinische Versorgung und wenn ein Bauer stirbt erhält die Witwe 400 USD Unterstützung. Fortaleza del Valle hat keine eigene Schule für die Kinder, da es in der Gegend genügend staatliche Schulen gibt.
Die Bauern erhalten darüber hinaus 300 USD Prämie pro Tonne verkauftem Biokakao. Die Durchschnittsfläche pro Bauer beträgt 2,6 Hektar. Pro Hektar erwirtschaften die Bauern ca. 35 bis 40 Quintales Kakao (Ein Quintal ist ein 100 Pfund schwerer Sack), wenn der Ertrag besonders gut ist sind sogar bis zu 48 Quintales möglich. Für jedes Quintal erhält der Bauer 52 USD. Die Genossenschaft erzeugt insgesamt 600 Tonnen Cacao Nacional pro Jahr, wobei es sich um die beste und erfolgreichste Biokooperative Ecuadors handelt. Der ganze Kakao ist bio und fairtrade zertifiziert; wobei Zotter pro Jahr 25 Tonnen abnimmt. Der meiste Export geht in die Schweiz und in die USA.
Die Kontrolle des Bioanbaus wird von insgesamt 10 Inspektoren geprüft, die alle Bauern 1 – 2 Mal pro Jahr kontrollieren. Wird ein Bauer dabei erwischt, dass er Chemie einsetzt, so wird er für drei Jahr gesperrt und darf danach unter strenger Kontrolle wieder produzieren. Sollte er dabei nochmals ertappt werden, dass er chemische Dünge- oder Spritzmittel einsetzt, wird er von der Kooperative gänzlich ausgeschlossen.
Umberto Zabrano, der Chef von Fortaleza del Valle ist ein geselliger Zeitgenosse. Seine Augen beginnen zu leuchten wenn er voller Freude von seinem Cacao nacional und von den Vorzügen der Biolandwirtschaft erzählt. Eines ist klar: er lebt seinen Traum und er trägt die Botschaft von nachhaltiger Landwirtschaft nicht nur in die Welt hinaus sondern spornt auch immer mehr Bauern in der Gegend an, biologisch zu wirtschaften. Josef Zotter hat mit ihm wohl den besten Partner in Ecuador gefunden wenn es darum geht Cacao nacional in Spitzenqualität zu beziehen. Wie schmeckt Cacao nacional? Am besten sie probieren einmal eine der wunderbaren Labookos mit Ecuadorianischem Urwaldkakao und nehmen sich Zeit, um all die Aromen wahrzunehmen während das wunderbare Stück Schokolade auf ihrer Zunge schmilzt. "Heaven, I am in heaven, and my heart beats so that I can hardly speak, and I seem to find the happiness I seek. When we're out together dancing cheek to cheek..." die berühmten Zeilen aus Ella Fitzgeralds Cheek to Cheek fällt mir ein wenn ich an diese wundervolle Schokolade denke. Danke Berto und Josef!
Erfahren Sie mehr über die Zotter-Weltreise und Gregor Sieböck!