Ist "künstlich" auch Kunst?

Die Diskussion um Grüne Gentechnik und Künstliche Intelligenz verfolge ich sehr aufmerksam und nehme eine Diskussionsrunde zwischen dem Bioland-Präsidenten und einem Lobbyisten des Pharmakonzerns Bayer zum Anlass, um meine persönliche Meinung dazu zu äußern. Zum besseren Verständnis befindet sich der BioHandel-Artikel, auf den ich mich beziehe, am Ende dieses Beitrags.

Geht es nach Plänen der EU-Kommission, so könnte in Zukunft die Kennzeichnungspflicht für eine Vielzahl gentechnisch veränderter Lebensmittel wegfallen. Konkret sollen Pflanzen, die mit den neuen Gentechnikverfahren wie Crispr/Cas entwickelt werden, laut Verordnungsentwurf in zwei Kategorien eingestuft werden, von denen abhängt, ob ein Zulassungsverfahren und eine Risikoprüfung vorgesehen ist, je nachdem ob gentechnische Veränderungen auch durch konventionelle Züchtung erzeugt werden „können“ oder ob sie Eigenschaften aufweisen, die sich negativ auf die Nachhaltigkeit auswirken „können“ … 

Nun, wenn man das so liest, gewinnt man den Eindruck, dass es eben ist, wie es immer so ist: Gegen diese „Großen“ kommt man einfach nicht an, weil deren Lobbyisten Profis sind. Klar, da geht es auch um ganz viel Geld. Natürlich wäre es lässig, wenn wenigstens korrekt ausgezeichnet werden „müsste“. Aber das wird nicht passieren. Weil immer das Argument kommt, dass mit echtem Bio die Welt nicht zu ernähren sei. Leider muss das die hohe Politik respektieren, weil es Fakten sind – im ersten Moment bzw. auf kurze Sicht. Dass man aber generell umdenken sollte, in weniger Flächenverdichtung, in Humusaufbau, erneuerbare Energiequellen usw. investieren sollte, ist leider der längere Weg. Deswegen wird das nicht oder nicht schnell genug gemacht. Sehr viele glauben, es ließe sich technologisch „alles“ lösen. Nur genau das wird es nicht spielen, weil die Natur immer stärker ist und notfalls alles vernichtet, um einen Neustart zu ermöglichen. Bitte nur ja nicht genauer darüber nachdenken. Man könnte es mit der Angst zu tun bekommen.

Man merkt jetzt so richtig, wie sich die Konsumenten verunsichern lassen. Durch diese massive und teilweise populistische Berichterstattung in allen Richtungen wird vieles verdreht. Leider ist es so, dass die meisten Leute einfach nur noch Schlagzeilen konsumieren. Da wird natürlich Tür und Tor geöffnet für Falschinformationen. Klar ist die Gentechnik viel schneller, aber eben die Risiken nehmen auch zu, weil die Natur immer versucht Resistenzen auszutricksen. In der Vielfalt liegt aus meiner Sicht die größte Resistenzsicherheit. Genau da gibt es aber Widerstand, weil Vielfalt und echte Kreislaufwirtschaft, auch viel Arbeit bedeutet, was wiederum Kosten verursacht.

Für mich ist es wie mit dem Fair Trade Siegel, wir haben den Umgang mit dem Ausstieg denke ich recht gut geschafft und uns klar von der unter dem Fair Trade Siegel im Kakaoeinkauf erlaubten Massenbilanzierung distanziert. Wir stehen nämlich für ganzheitlich Fairen Handel mit physischer Rückverfolgbarkeit ein. Jene die es interessiert, können wir nahezu 100% Garantie geben und jene die es nicht interessiert, bekommen auch nix anderes.

Genauso halten wir es auch mit Bio. 100% konsequent und es gibt nix anderes bei uns. Wir wollen zeigen, dass es funktioniert. Der beste Zugang zur Veränderung in Sachen BIO- Lebensmittel ist der, dass es gut oder gar besser schmeckt. Denn mittels Gentechnik verseuchte Produkte schmecken auch meistens nicht, weil es nicht nur um diese vielgepriesenen Resistenzen geht, sondern fast immer auch um Mehrertrag und das schafft auch die Gentechnik nicht. Die Pflanze kann nicht mehr aus dem Boden holen als drin ist, außer mit massivem Kunstdünger- und Spritzmitteleinsatz, was wiederum nicht ewig funktioniert, weil es künstlich ist.   

Ich denke da an die vielen geschmacklosen Erdbeeren und Himbeeren, Äpfel und Marillen, die am Markt sind, auch in Bio. Auch wenn hier nicht alles gentechnisch verändert wurde, verstehe ich nicht, warum das den Leuten gefällt? Klar, sie schauen schön aus, halten länger usw. Aber zu welchem Preis?

Wir haben heute aus unserem Garten Marillen gegessen. Sowas kann man im Supermarkt gar nicht kaufen, weil alle „echt reifen“ Früchte in den Märkten einfach kurz vor dem Verderben sind. Da funktioniert die gesamte Logistik nicht, wenn sie noch so eine schnelle ist. Deswegen weg mit der künstlichen Intelligenz, künstlicher Lebensmittelherstellung und künstlicher Pflanzenmanipulation, weil es die Menschen nur noch mehr verunsichert. Natürlich weiß ich, dass das ein Tagtraum ist, der nie realisiert wird. Denn der Mensch muss scheinbar immer ein bisserl mit dem Feuer spielen, wobei aber manchmal Flächenbrände entstehen.  Der Weg führt nur über „ein bisserl“ weniger statt ewig mehr. Wir leben im Paradies, aber können schwer damit umgehen, weil es den meisten nicht bewusst ist.

Klar, wenn man in Green City Käfigen mit Urban Gardening in der Begegnungszone lebt, wo das geschmacklose Essen per Fahrrad-Zustelldienst, die heile Welt versprechend, am Hochbeet vorbei geliefert wird, verliert man die Bodenhaftung. Aber es ist nicht die Aufgabe der Konsumenten tiefer über deren Lebensmittel, die sie täglich konsumieren, Bescheid zu wissen. Das Herz am richtigen Fleck sollte schon der Bauer oder Lebensmittelhersteller haben, der aus meiner Sicht nur das produzieren sollte, was er sich selbst und seiner Familie zumutet. Darin liegt das Geheimnis für größte Lebensmittelsicherheit. Genau da liegt aber das Problem: Der Konsument will die Kosten nicht tragen und der Bauer (oder die Industrie) liefert zum „erzielbaren“ Preis.  

Wir als Lebensmittelunternehmen sind auf einem guten Weg, sind sehr zufrieden mit dem, was ist. Was die anderen machen, können wir so und so nicht verstehen und auch nicht beeinflussen.  Wir versuchen die eigenen vier Wände sauber zu halten, und verkaufen nur das, was uns selbst auch schmeckt, und wo wir auch die Hintergründe verstehen. Die Effizienzgedanken oder der Geschmack der anderen interessieren uns einfach nicht.

Schade um die „Kunst“ die normalerweise inspiriert, kritisch vor Augen führt, und zum Nachdenken anregt, aber leider auch unser Leben „künstlich“ verändert hat. Die Klimakleber alleine schaffen es nicht.    
 
No panic … it’s all organic!

Artikel zur BioHandel-Diskussionsrunde, erschienen am 20.07.2023, auf biohandel.de.
Autor: Horst Fiedler

Bioland und Bayer streiten um den richtigen Weg bei Grüner Gentechnik

Beim Thema Grüne Gentechnik liegen Jan Plagge und Matthias Berninger weit auseinander. Während der Bioland-Präsident eher Risiken befürchtet, sieht der Bayer-Lobbyist ausnahmslos Chancen – vor allem, um dem Klimawandel zu begegnen.

Für Bayer ist der jüngste Entwurf der EU-Kommission zur Grünen Gentechnik kein Grund, sich zu ärgern. Im Gegenteil. Dass gentechnisch veränderte Lebensmittel womöglich künftig nicht mehr gekennzeichnet werden müssen, ist ganz im Sinne des Leverkusener Chemiekonzerns, der durch den Kauf von Monsanto 2018 zum weltgrößten Saatguthersteller aufgestiegen ist. Schließlich will Bayer vermeiden, dass die per Genschere veränderten Pflanzen diskriminiert werden können. Dies sei derzeit der Fall, weil Hersteller und Handel mit Bezeichnungen wie „ohne Gentechnik“ Werbung gegen transgene Pflanzen machten, sagte Bayer-Cheflobbyist Matthias Berninger bei einer Diskussion der „taz“ mit Bioland-Präsident Jan Plagge am Mittwochabend.

Moderator und „taz“-Redakteur Jost Marin nahm diese Aussage zum Anlass und fragte provokativ nach, ob Bayer den Verbrauchern Gentechnik-Pflanzen auf die Teller schmuggeln wolle? Berninger verneinte dies und verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreiten solle.

Bereits heute seien Züchtungen, deren Genpools mit Hilfe von Radioaktivität oder genotoxischen Chemikalien erzeugt wurden, auf den Tellern zu finden, so Berninger, der seit 2019 bei Bayer für die Bereiche Politische Kommunikation, Wissenschaft und Nachhaltigkeit zuständig ist. Veränderungen mit der Genschere Crispr/Cas und vergleichbaren Methoden, die sich auf die Gene der jeweiligen Pflanzen beschränken, fügten sich praktisch in diese Verfahrensweisen ein. Mit den neuen Methoden könnten die durch den Klimawandel verursachten Probleme der Pflanzenbauer viel schneller gelöst werden, sagte Berninger.

Berninger: Ökolandbau sollte die Grüne Gentechnik nicht grundsätzlich ausschließen

Bioland-Präsident Jan Plagge, der auch Präsident des europäischen Bio-Dachverbands Ifoam EU ist, verwies auf die Aussage der EU-Kommission, wonach durch die neuen Methoden gentechnisch veränderte Pflanzen entstünden, die für den ökologischen Landbau verboten seien. Solange die Bio-Landwirtschaft weiterhin eigene Züchtungen vornehmen könne und darin nicht durch Patente behindert werde, sei sie die gentechnikfreie Alternative für die Verbraucher. Einkreuzen in Zuchtlinien und Selektionen zur Verbesserung der Eigenschaften von Pflanzen seien auch mit klassischer Pflanzenzüchtung möglich und werde seit Jahrzehnten praktiziert, so Plagge.

Im Labor könne nicht nachgewiesen werden, ob eine Pflanze durch Grüne Gentechnik verändert wurde, räumte Berninger ein. Wie bei der Mutagenese ließen sich die Sorten nicht mehr unterscheiden. Die Landwirte bekämen jedoch eine „klare Kennzeichnung“ von Bayer für das Saatgut. Die Züchtungen hätten viele Vorteile, die am Ende auch für die Verbraucher Vorteile mit sich brächten, zum Beispiel im Hinblick auf Haltbarkeit oder Geschmack, womit auch Hersteller werben würden. Berninger rät, die Grüne Gentechnik auch für den Öko-Landbau nicht grundsätzlich auszuschließen.

Mit Blick auf Zwischenfrüchte, die zur Bodengesundheit beitrügen und Stickstoff sammelten, aber sonst keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen hätten, habe Bayer mit Hilfe der Grünen Gentechnik Pflanzen entwickelt, die wirtschaftlich nutzbare Ölsaaten produzieren, so Berninger weiter. „Man kann dadurch Äcker nutzen, die ansonsten nur brachliegen“, sagte der Bayer-Cheflobbyist, der in diesem Zusammenhang von Cash-Crops sprach. Die Nahrungsmittelproduktion werde nicht behindert, eher verbessert.

„Ich glaube, dass wir durch die neuen Möglichkeiten mehr in den Pflanzen verändern können, um Pilzresistenzen vor allem vor dem Hintergrund eines sich schnell ändernden Klimas erzeugen zu können.“ - Matthias Berninger, bei Bayer verantwortlich für Public Affairs, Wissenschaft und Nachhaltigkeit

Jan Plagge spricht sich dagegen aus, ein „Hintertürchen“ für die Grüne Gentechnik offen zu halten. „Wir wollen uns keine neue Pflanze ausdenken, die eine bestimmte Lücke in der Bodenbedeckung füllt“, stellt er klar. Vielmehr gehe es darum, die Fruchtbarkeit des Bodens im System zu verbessern und nicht von außen hineinzutragen. Innovationen in der Pflanzenzüchtung seien unbestreitbar wichtig und daran werde auch im Öko-Landbau permanent gearbeitet. „Aber die Manipulation und die Ausreizung von einzelnen Eigenschaften hat für uns systemische Risiken“, so der Bioland-Präsident. Resistenzen würden schnell zusammenbrechen, wenn man zu sehr auf ein Pferd setze.

Berninger, der lange für die Grünen im Bundestag saß und von 2001 bis 2005 Parlamentarischer Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium war, wies dies zurück und thematisiert das im Ökolandbau angewendete Pflanzenschutzmittel Kupfer, das nur für fünf Jahre zugelassen worden sei. Nach 160 Jahren sei es notwendig, eine bessere Lösung von Pflanzenschutzmitteln zu finden als Schwermetalle.

„Ich glaube, dass wir durch die neuen Möglichkeiten mehr in den Pflanzen verändern können, um Pilzresistenzen vor allem vor dem Hintergrund eines sich schnell ändernden Klimas erzeugen zu können“, so Berninger. Er warnte davor, dass die Schere zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft noch weiter auseinander gehe. Künftig werde man weniger Anbaufläche für eine wachsende Weltbevölkerung zur Verfügung haben.

Öko-Züchter arbeiten schon länger an klimaresistenteren Pflanzen

Gegen Gefahren des Klimawandels habe Bayer zum Beispiel eine Maispflanze mit kürzerem Stiel und tiefer wachsende Wurzeln entwickelt. Bei starken Stürmen und extremer Trockenheit habe eine solche Pflanze größere Überlebenschancen, liefere zudem noch vergleichbare oder sogar höhere Ernten. „Wir sollten die Bremse locker machen und den Landwirten die Dinge in die Hand geben, die sie dringend brauchen“, rät der Bayer-Manager.

Plagge berichtete, dass Öko-Züchter bereits seit längerem Pflanzen mit Blick auf klimatische Veränderungen züchten. Ihn stört, dass Berninger praktisch vermittele, „die Ökos sollen in ihre Nische gehen und weiterspielen“, während Bayer & Co. die Grüne Gentechnik als Standardtechnologie in der Landwirtschaft durchsetzen wollten. Es sei aber nicht Aufgabe der Politik, dem Rechnung zu tragen. Plagge befürchtet, dass es ohne durchgehende Kennzeichnung und Transparenz keine Chance mehr gäbe, eine alternative Genetik aufzubauen. Auch eine nicht von Patenten getriebene Züchtungswirtschaft sei dann kaum noch möglich. Im Übrigen löse ein speziell gezüchteter Mais die Probleme des Klimawandels nicht, sagte Plagge. Bei langen Trockenphasen und kürzeren Starkregegenereignissen sei die Möglichkeit des Bodens, Wasser zu halten, wichtiger. Der Bio-Landbau habe erwiesenermaßen eine andere Bodenstruktur, die dies leisten könne. Und die Öko-Pflanzen hätten bereits „größere Wurzelbilder“, die sie allein dazu bräuchten, um die knapperen Nährstoffe zu assimilieren. Bioland lege den Fokus auf systemische Lösungen wie Bodenleben und Bodenfruchtbarkeit, sagte deren Präsident. „Wenn die neuen Systeme so toll sind, dann soll der Verbraucher sie auch erkennen können.“

Berninger lobte zwar die Innovationen der Öko-Landwirtschaft, glaubt aber, dass sie angesichts der Klimakrise nicht ausreichen. Er hoffe, dass EU-Kommission und -Parlament sich für die Zulassung der neuen Gentechnik entscheiden. Dann sollen die Innovationen von Bayer auf den europäischen Markt kommen. Kleinere Züchter würden Zugang zu den Patenten haben, versprach er.

Plagge sieht die Patentierung jedoch kritisch. Seine größte Sorge sei, dass Resistenzeigenschaften von Wildpflanzen gegen Pathogene, die sowieso in der Natur vorkommen, zum Patent angemeldet werden. Außerdem macht sich der Bioland-Präsident Sorgen wegen der Resistenzen. Ein großes Risiko sei, dass es zu Resistenzlücken komme wie bei den Antibiotika. Das setze eine Risikoanalyse voraus. Die Anbaumenge müsse gegebenenfalls limitiert werden. Resistenzen seien eine begrenzte Ressource. Deshalb sei auch eine Kennzeichnung notwendig, erklärte Plagge.

Eine Kennzeichnung sei ebenso erforderlich, um eine Alternative anbieten zu können, also den Wettbewerb der Systeme sicherzustellen. „Wenn die neuen Systeme so toll sind, dann soll der Verbraucher sie auch erkennen können“, fordert Plagge. In diesem Sinne solle sich auch die Bundesregierung für die Abstimmung in Brüssel positionieren.

Josef Zotter

Über: Josef Zotter

Chocolatier, Bio-Landwirt und Andersmacher. Josef Zotter ist gelernter Koch und Kellner, Konditormeister, war längere Zeit Koch und Küchenchef in verschiedenen Hotels der Luxusklasse unter anderem auch in New York. Josef Zotter ist verheiratet mit Ulrike Zotter und Vater von drei Kindern.

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