Ich hatte noch nie so viel Schokolade im Gepäck. Simone und ich reisten mit 11 Kilogramm feinster Schokolade nach Afrika. Sepp Zotter hatte eine eigene Sonderedition von der Kongoschokolade gefertigt, um sie vor Ort an die Kakaobauern im Herzen Afrikas auszuteilen – 300 Tafeln waren es am Ende. Helmut Mayr, der Vertriebsleiter von Zotter brachte sie uns extra kurz vor unserer Abreise vorbei und hatte auch noch zwei Kühltaschen mit, um zu verhindern dass der Zauber unter der Hitze der afrikanischen Sonne schmilzt!
Wir reisten mit dem Flugzeug nach Uganda – es war nicht meine bevorzugte Art des Reisens aber mangels anderer Alternativen blieb uns nichts anders übrig. Ich hatte zwei Wochen lang recherchiert ob wir mit dem Frachtschiff nach Ostafrika reisen könnten, doch alle Reedereien, die normalerweise Passagiere mitnehmen, lehnten ab: die Piraten vor Somalia sind offensichtlich viel zu gefährlich. Gäbe es als Alternativroute noch die Möglichkeit mit dem Schiff nach Ägypten zu reisen, doch wegen der Unruhen verbieten die Frachtschiffreedereien den Passagieren dort an Land zu gehen. Und dann müsste man immer noch mit dem Zug durch Ägypten und den Südsudan reisen. Ich recherchierte in den Abenteuerreiseforen darüber ob jemand in den vergangenen Wochen diese Route mit dem Zug und Schiff gewählt hatte, doch alle rieten davon ab, denn es gab immer wieder Unruhen. Da ich mein Leben liebe, blieb uns schließlich keine andere Wahl als zu fliegen.
Landeanflug auf Entebbe in Uganda: der Flughafen war eingebettet in ein Gebiet üppiger Vegetation. Ein Graureiher stolzierte über die Rollbahn, zwischen den Landebahnen wuchs hohes Gras und überall war es grün und nicht grau wie in Katar. Wer ist da reicher, Afrika oder die staubtrockene arabische Halbinsel? Überhaupt schien es als ob wir in einem Schlaraffenland gelandet waren. Auf dem Weg in die Stadt türmten sich frische Früchte und Gemüse neben der Straße, die Kleingärten und Felder schienen eine reiche Ernte zu tragen, alles blühte ...doch was die Menschen daraus machen ist natürlich wieder etwas anderes. Überall lag Plastikmüll in der Landschaft verstreut und es staubte: Staub war fortan unser ständiger Begleiter – egal wo wir uns hinbewegten! Es war Trockenzeit – kein einziger Regentropfen in drei Wochen!
In Kampala trafen wir Clemens – er vertreibt Kakao, Vanille und Chili aus dem Kongo – und dort wollten wir über Weihnachten hin. Wir hatten alles vorbereitet und nun konnte es losgehen! Wir lieferten zuerst gleich einmal die 300 Tafeln Kongoschokolade ab, um unsere Rucksäcke zu erleichtern und planten dann unser weiteres Vorgehen. Clemens betreibt in Uganda sein Büro und wollte mit seiner Familie in den nächsten Tagen auch in den Kongo reisen. Wir vereinbarten, dass wir uns an der Grenze treffen würden. Das ist nicht eine Grenze wie wir sie von anderen Ländern kennen, denn auf der ugandischen Seite gilt es zuerst die Polizeikontrolle zu passieren, dann kommt die Auswanderungsbehörde und schließlich auch noch das Militär, das die Dokumente kontrolliert. Auf der kongolesischen Seite ist es zuerst die Einwanderungsbehörde, dann gibt es eine spezielle Sicherheitsbehörde zu passieren, dann die Gesundheitsbehörde und dann darf man rein ins Land...doch dann kommen erst weitere Militärkontrollen. Im Prinzip spannt irgendein Typ, der im Besitz eines Maschinengewehrs ist eine Kabel über die Straße und verlangt dann Geld; das man dann meist gerne bereit ist zu bezahlen, weil er eben immer energischer mit seinem Gewehr zum Herumfuchteln beginnt, um seinen Wunsch nach Geld zu unterstreichen... Kongo ist anders... aber nun waren wir ja noch in Uganda. Also zeichnete uns Clemens eine Landkarte: „Dort im Norden sind die Ruwenzoriberge und im Süden ist der Betrieb wo wir den Kakao und die Vanille verarbeiten. Etwas weiter im Norden sind die Rebellen. Das ist ein Gebiet wo man sich nicht aufhalten sollte.“ Plötzlich wurde uns klar, dass in mehr als der Hälfte von den Kakaoanbaugebieten ugandische Rebellen tätig sind. Vor unserer Abreise hatte ich recherchiert und herausgefunden, dass die M-23 Rebellen, die im ruandischen Grenzgebiet tätig waren gerade eben einer Waffenruhe zugestimmt hatten und deswegen hatten wir uns auch entschieden, dorthin zu reisen. Doch nun erfuhren wir von den ugandischen Rebellen, die immer noch sehr aktiv sein sollten. Clemens beschrieb auch die Einreise in den Kongo als eine große Herausforderung und so begannen sich Simone und ich schön langsam Gedanken zu machen was das wohl für eine Reise werden würde. Auf was hatten wir uns da eingelassen? Gleichzeitig war uns klar, dass wir immer auf die Zeichen achten und uns keinen unnötigen Gefahren aussetzen wollten – wir lieben unser Leben und handeln wenn nötig sofort; denn wir wollten gestärkt und nicht geschwächt nach Hause reisen. Das erfordert Achtsamkeit!
Nachdem wir eine Unterkunft gefunden hatten gingen wir noch Abendessen. Es war bereits dunkel in Kampala und es waren unglaublich viele Motorräder unterwegs, die ihre Taxidienste anboten. Man konnte einfach ein Motorrad aufhalten, hinten aufsteigen und mitfahren – natürlich ohne Helm und nicht ungefährlich, denn die Motorradfahrer hielten sich an keine Regeln, fuhren kreuz und quer. Es gab auch keine Straßenbeleuchtung und keine Gehsteige. So hieß es für die Fußgänger notfalls in den Straßengraben zu hüpfen, um nicht überrollte zu werden. Am Eingang zum Restaurant gab es zwei Sicherheitskräfte, die unsere Taschen untersuchten, sie wollten überall hineinschauen. Wir erfuhren, dass besagtes Restaurant vor einigen Jahren durch eine Bombenexplosion in die Luft geflogen war.
Am Morgen suchten wir uns zwei Motorradtaxis und fuhren damit zum Busbahnhof. Einer der Mitarbeiter meinte: „Steigt schnell ein, der Bus fährt gleich los!“ Wir bezahlten, stiegen ein und warteten... wie schnell ist gleich in Uganda? Es dauerte 1 ½ Stunden bis sich der Bus schließlich in Bewegung setzte und wir stellten fest, dass Warten wohl die Lieblingsbeschäftigung der Menschen hier war. Wir warteten auch, denn was bleib uns anderes übrig. Wir waren die einzigen Weißen im Bus, sonst nur Schwarze. Und es war eng, denn es saßen 6 und nicht 5 Reisende in der letzten Reihe – eigentlich 7 denn ein kleines Mädl saß auch noch bei uns. Was uns aber eine Freude bereitete waren die Straßenverkäufer. Wenn der Bus in einem Ort hielt kam ein ganzer Trupp angelaufen und verkaufte gekochte Bananen, Chapatis, Maniok und Getränke durch die Fenster. Wir aßen wie die Könige: die warmen Chapatis, dazu die süßen, auch noch warmen Bananen. Wunderbar!
An der ugandisch kongolesischen Grenze trafen wir wieder Clemens. Während unsere Pässe von einem Beamten zum anderen wechselten (alleine im Einreisebüro saßen vier Mitarbeiter, jeder prüfte den Pass und das Visum und dann verschwand das Dokument noch in einem Hinterzimmer wo sich die eingehende Prüfung fortsetzte) saßen wir draußen vor dem Gebäude und beobachteten das Geschehen. Ein LKW blieb neben uns stehen. Er war doppelt so hoch beladen wie seine Fahrerkabine und schwankte bedenklich; doch er hielt nicht etwas um auszuladen sondern sorgt sich einzig uns alleine wegen einem lehren Plastikkübel, der obwohl halbwegs gut befestigt, neben der Fahrertür baumelte und offenbar seinen Ausblick beeinträchtigte. Dann spazierte ein Frau bei uns vorbei und balanzierte einen Bottich auf ihrem Kopf in dem 10 blutverschmierte Ziegenköpfe lagen und das ganze Geschehen wurde immer wieder in eine Staubwolke gehüllt wenn ein Fahrzeug vorbeifuhr – hatte es in Uganda schon viel gestaubt so war der Kongo noch einmal eine Steigerung – wir hätten es nicht für möglich gehalten, doch die afrikanische Staubskala scheint nach oben offen zu sein und immer wenn man glaubt es kann nicht noch mehr stauben wird man eines besseren belehrt. Willkommen im Kongo! Zumindest stank es nicht mehr so penetrant wie auf der ugandischen Seite; aber das hing wohl vor allem damit zusammen, dass ein leichtes Lüftchen blies und die unterschiedlichen Duftnoten verteilte.
Die Reise konnte weitergehen, unsere Einreise wurde angenommen (was für eine Ehre!) und nun dachte ich; jetzt geht’s los; rein in den Kongo! Corine, die Frau von Clemens, chauffierte unsere Bus und das Abenteuer konnte beginnen – doch es wurde abrupt beendet als wir nach einem Kilometer von der Polizei aufgehalten wurden. Sie verlangten irgend ein Dokument, das wir nicht hatten und so hieß es warten und warten und warten... schließlich kam wie aus dem Nichts der Bruder von Corine vorbei und löste das Problem; wie auch immer. Außerdem übernahm er das Steuer unseres Kleinbusses und manövrierte und fortan in einem Höllentempo in den Kongo hinein. Ich habe auf meinen Reisen rund um den Globus schon viele Fahrstile erlebt und bisher waren die lateinamerikanischen Buschauffeure jene, welche die Liste an halsbrecherischen Ralleyfahrten anführten – doch wie auch bei der Staubskala trat auch hier der Kongo wieder die Führungsrolle an. Und so rasten wir fast zwei Stunden lang über eine Schotterpiste mit oftmals 30 Zentimeter tiefen, riesigen Schlaglöchern – bis die Nacht einzog und unsere Fahrt je gestoppt wurde. Ein junger Bursche nützte die Autorität seines Maschinengewehres, um ein Stahlseil über die Straße zu spannen und den Verkehr aufzuhalten. Alsbald entwickelte sich ein Streitgespräch zwischen unsere Fahrer und dem jungen Burschen – dabei begann er immer wilder mit dem Gewehr herumzufuchteln bis ich fragte was er denn will? 2000 Ugandische Schilling wollte er haben – etwas weniger als einen Euro und unser Chauffeur wollte nicht zahlen. Ich griff in die Tasche, zahlte, das Stahlseil verschwand und wir fuhren weiter: Mit einem Burschen, der seine Macht auf ein Gewehr stützt, diskutiere ich nicht! Es war finster im Kongo: die Dörfer hatten keinen Strom und daher gab es auch keine Straßenbeleuchtung. Einzig und alleine jene, die einen Generator im Haus hatten verfügten über Licht und dort kamen auch die Leute zusammen – meist war es ein kleiner Laden oder eine Bar; doch sonst war es dunkel.
Wir erreichten unser Ziel und ich war völlig erschöpft; unsere Ralleyfahrt und der Staub hatten mich zermürbt. Auf meinem Schoß musste ich die ganze Reise über die Spiegelreflexkamera ausbalancieren, um zu verhindern, dass sie ob der Schlaglöcher beim Armaturenbrett anstieß – denn das wäre das Ende der Kamera gewesen und hätte bedeutet, dass die Reise nach Afrika richtig teuer würde. Doch die Cam überlebte den Husarenritt. Clemens war bereits vor uns angekommen, denn er reiste mit dem Motorrad ein und konnte daher die Schlaglöcher leichter umfahren als wir im Kleinbus. Simone und ich bekamen ein Zimmer im Haus zugewiesen und dann war eine der ersten Aussagen von unserem Gastgeber: „Einige tausend Soldaten vom Militär sind heute in die Berge hinaufgezogen. Das schaut nicht gut aus! Weihnachten ist meist ein guter Zeitpunkt für einen Angriff.“ Halleluja, das konnte heiter werden und sicher ein Weihnachtsfest an das wir uns noch länger erinnern würden!
Clemens kam Ende der 90er Jahre mit der deutschen GTZ nach Uganda und baute dann in Uganda eine Vanilleplantage auf. Seit 2003 arbeitet er auch als Berater für den Vanilleanbau im Kongo. Als 2006 aufgrund politischer Unruhen seine Vanilleplantage in Uganda enteignet wurde, ernteten die Bauern im Kongo gerade die ersten Vanilleschoten. Daher kaufte ihnen Clemens die Ware ab und transferierte sein Business von Uganda in den Kongo. 2006 traf er auf der Biofach in Nürnberg auch das erste Mal Sepp Zotter, der seither die Vanille im Kongo einkauft – denn Clemens war der erste Anbieter weltweit, der biologische Vanille auch zu den Konditionen des gerechten Handels vermarktete.
Die Arbeit im Kongo ist für Clemens aber alles andere als einfach. Da er durch die Enteignung seiner Vanilleplantage in Uganda viel Geld verloren hatte, war er fortan auf Fremdfinanzierung angewiesen. Die ist lokal mit 12% Verzinsung sehr teuer und daher kam ihm einer Zusammenarbeit mit einer deutschen Ökobank sehr gelegen. Der Vertrag war bereits unter Dach und Fach als 2012 die M-23-Rebellen die nahegelegene Stadt Goma angriffen. Daraufhin zog die Bank kurzfristig den Kreditrahmen zurück, weil es für sie zu riskant war im Kongo zu investieren. Die Kakao- und Vanilleproduktion war aber bereits voll angelaufen, die Bauern mussten bezahlt werden und so war Clemens wieder gezwungen, auf die lokalen Banken zurückzugreifen – zu den denkbar schlechten Konditionen.
Eine weitere Herausforderung, ein Unternehmen im Kongo zu führen ist die verbreitete Korruption unter den Politikern – für jede Tätigkeit erwarten sie einen Obulus. Wenn schließlich zum Abtransport bereit steht wartet das nächste Hindernis, denn jeder Kilometer von den Ruwenzoribergen bis nach Mombasa ist teuer. Wir erlebten es ja selber bei der Einreise: da hat jemand ein Maschinengewehr und spannt einfach ein Stahlseil über die Straße. Das Seil hängt dann solang bis man bezahlt. Natürlich wollen auch die Zöllner kassieren – es ist wie ein modernes Raubrittertum! Außer man versteht es anders zu arbeiten, aus dem Mangel auszusteigen und konsequent aufzutreten – doch da gilt es erst einmal den Fokus auf das zu legen was in dem Land gut ist, was im eigenen Leben gut funktioniert, anstatt die Aufmerksamkeit darauf zu richten was nicht geht, was schlecht ist und was man ändern könnte. In diesem Fall werden die Gedanken zum eigenen Gefängnis und der Handlungsspielraum wird immer enger. Gedanken schaffen Materie und die Energie fließt schließlich immer dorthin wohin wir unser Augenmerk richten.
Clemens bezieht den Kakao, die Vanille und den Chili von insgesamt 650 verschiedenen Bauern aus der Region. Von ihnen kennt er 100 Bauern mit dem Namen und 200 weitere vom Sehen. Ihre Gesamtanbaufläche beträgt 2000 Hektar, davon werden ca. 1000 mit Kakao bepflanzt und 30 mit Vanille. Der Rest sind andere landwirtschaftliche Produkte wie Cassava, Bananen, Bohnen oder Ölpalmen oder dienen den Bauern für ihre Eigenversorgung. Clemens fordert aber von den Bauern, dass sie ihren ganzen Betrieb biologisch bewirtschaften wenn sie an ihn liefern wollen. Beim Kakao kann ein Arbeiter pro Jahr eine Fläche von 4 bis 5 Hektar bewirtschaften, bei der Vanille ist dies deutlich weniger. Ein Arbeiter mit 300 Arbeitstagen pro Jahr schafft gerade einmal einen Hektar Anbaufläche – und zur Blütezeit benötigen die Bauern überhaupt 4 bis 5 Arbeiter pro Hektar, da jede Blüte mit der Hand bestäubt werden muss. Die Vanille ist eine Orchidee und gedeiht daher sehr gut im Schatten. Sie ist aber auch abgesehen von der Bestäubung eine Pflanze, die sehr viel Zuwendung braucht. Es gilt immer wieder Mulchmaterial einzubringen wobei man sehr achtsam arbeiten muss, um die Wurzeln nicht zu beschädigen. Die Vanille hat ihre Wurzeln knapp unter der Oberfläche und wenn man den Boden rund um die Pflanze betritt beschädigt man ihre Wurzeln. Abgesehen von Pilzen, welche die Wurzeln befallen können gibt es aber wenige Schädlinge, welche die Vanille befallen können. Daher ist sie relativ einfach in Bioqualität zu erzeugen. Beim Kakao ist das schon eine größere Herausforderung: Schildläuse können mit einer Seifenlauge oder öligen Lösungen verjagt werden, doch der Black Pot Disease, einer im Kongo weit verbreiteten Pilzkrankheit kann biologisch nur schwer Einhalt geboten werden. Ist eine Kakaoplantage befallen kann bis zur Hälfte der Ernte ausfallen. Im biologischen Landbau kann man dem nur dadurch entgegenwirken, dass die Plantage sehr gut durchlüftet wird, was bedeutet, dass man weniger Kakaobäume pro Fläche anbaut.
Clemens lieferte bis vor kurzem auch den Birds Eye Chili an Zotter. Dabei handelt es sich um einen der schärfsten Chilis der Welt. Vögel fressen die Chilischoten, um sich von Darmparasiten zu reinigen und sie scheiden dann die Samen wieder aus. Erst wenn diese den Verdauungstrakt der Vögel passiert haben sind die Samen keimfähig und können sich vermehren. Es ist also ein ganz besonderer Chili.
Im Kongo wächst Kakao von der Sorte Forestero. Zehn Kilogramm Kakao ergeben ca. 4 Kilogramm frische Bohnen und in der Folge 1 Kilogramm getrocknete Kakaobohnen. Bei der Vanille kann man mit 5 – 6 Kilogramm frischen Schoten ein Kilogramm exportfertige, getrocknete Vanilleschoten erzeugen. Clemens kauft sowohl beim Kakao als auch bei der Vanille die Rohware und seine 14 Mitarbeiter verarbeiten sie dann komplett im eigenen Betrieb, um die beste Kontrolle über den Verarbeitungsprozess zu haben. Die aktuelle jährliche Kakaoproduktion beträgt 100 Tonnen, wobei das Potenzial 300 – 400 Tonnen wären und bei der Vanille erzeugt Clemens 1 bis 1,5 Tonnen mit einem Potenzial von 2 – 3 Tonnen pro Jahr. Zotter bekam bisher seine gesamte Vanille von Clemens und auch 25 Tonnen Kakao aus dem Kongo.
Bei der Vanille gibt es eine große Vanillesaison von August bis Jänner in der der die Haupternte stattfindet. Die Zeit von der Blüte bis zur Reife dauert im Tiefland (am Fuße der Ruwenzoriberge auf ca. 1000 Meter Höhe) 8 bis 12 Monate und im Hochland (in den Bergen) 10 bis 14 Monate. Die Schoten werden in unterschiedliche Längen eingeteilt: die kurzen sind 14 – 15 cm lang, die mittleren 16 – 17 cm und die langen 18 – 19 cm, manche auch 20 und 21 und einige sind sogar bis 22 cm lang. Nach der Anlieferung werden die Schoten zuerst gewaschen und dann in die unterschiedlichen Längen eingeteilt. Die kurzen Schoten werden dann bei 62 Grad Celsius zwei Minuten lang blanchiert, die mittleren bei 62,5 Grad Celsius 2,5 Minuten und die langen bei 63 Grad Celsius drei Minuten lang. Die Herausforderung im Kongo ist, dass dafür kein elektrischer Ofen mit einer genauen Temperaturregelung zur Verfügung steht sondern das Wasser in einem großen Kessel über offenem Feuer erhitzt wird. Kasereka, der Agrarökonom, der bei Clemens beschäftigt kontrolliert mit einem Thermometer die Temperatur und steht dann mit einer großen Küchenuhr daneben, um die genau Zeit zu messen während die Schoten blanchiert werden...und dann ist die Hausforderung das Wasser mit dem Feuerholz genau zu temperieren. Im Anschluss daran werden die frischen Vanilleschoten in einem dunklen Raum bei 30 bis 45 Grad Celsius zwei Wochen lang getrocknet. Danach wird die Vanille zwei Monate lang jeweils jeden Tag eine Stunde lang in die Sonne gelegt und die restliche Zeit in einem Raum gelagert. Dabei muss jede Schote einmal am Tag mit der Hand gestreift werden, um sicherzustellen, dass sie flexibel bleibt. Die kleinen Schoten werden zu einem Vanilleextrakt verarbeitet und die anderen je nach Größe werden als ganze Schoten verkauft. Alles in allem vom Anbau bis zur Verarbeitung ist Vanille sicher eines der arbeitsintensivsten landwirtschaftlichen Produkte der Welt.
Die Verarbeitung vom Kakao ist auch aufwendig und erfordert Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Zuerst werden die Kakaobohnen mit ihrer Pulpe aus der Schale geschlagen und dann in einer Kiste fermentiert, die ersten drei Tage anaerob (ohne Sauerstoff) und dann weitere drei bis vier Tage aerob. Nach 48 Stunden wird der Kakao umgerührt, um die Säure zu vermindern. Dabei wird die Säure mit keinem Instrument gemessen, sondern die Säure wird mit der Nase kontrolliert. Eine gelungene Fermentation erkennt man an der Farbe der Kakaobohnen: sind diese im Inneren weiß, schwarz oder rot war die Fermentation nicht okay. Die Kakaobohne soll dunkelbraun sein. Nach der Fermentation werden die Bohnen zwei Wochen lang für jeweils zwei Stunden an der Sonne getrocknet. Danach können die Kakaobohnen exportiert werden.
Die Erde in dieser Region im Kongo ist wohl eine der reichsten des Planeten, alles wächst und gedeiht im Überfluss, das Klima ist angenehm; es ließe sich perfekt leben – wäre da nicht die Korruption, wären da nicht die Konflikte mit den Rebellen, wäre da nicht die Ausbeutung und das Chaos. Und doch hatten Simone und ich auf unserer Afrikareise das Gefühl, dass die Veränderung, wenn sie passieren soll, nur von Afrika, von den Menschen, die vor Ort leben, ausgehen kann – sowohl von den einfachen Menschen als auch von den reichen und von den Entscheidungsträgern. Die Menschen zu Bittstellern zu machen, zu spenden aber dann über die international vernetzten Handelsströme das Land dann noch mehr auszubeuten ist eben keine Lösung. Es stimmt – die Lage ist verzwickt und komplex, weil der Kongo eben wegen seinem unglaublichen Reichtum an Bodenschätzen, Tropenholz und landwirtschaftlichen Produkten für die Europäer, für die US-Amerikaner und die Chinesen eine wunderbare Spielwiese ist und sich so viele bereichern wollen – und doch lassen es die Afrikaner auch mit sich geschehen. Für einen Täter braucht es auch immer wieder ein Opfer... wie sagte Gandhi so schön: „sei die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest.“ Die Veränderung beginnt bei uns, dass wir anders handeln und die Afrikaner nicht mehr ausbeuten, sie setzt sich bei den Reicheren im Kongo fort, dass sie die Ärmeren nicht ausbeuten und die Ärmeren wiederum nicht nur als alleiniges Ziel haben reich zu werden, um die anderen auch auszubeuten. Für mich ist immer ein Schlüssel für ein gutes Leben die Dankbarkeit. Wenn ich dankbar bin, dann bin ich reich. Wenn man die Entscheidung einmal getroffen hat, beginnt man, die alte Gewohnheit des Sich-Beklagens fallen zu lassen, und die ganze Energie beginnt in Dankbarkeit, Fülle und Lobpreisungen zu fließen: Preise den Sonnenuntergang und die Wolken und die Bäume und die Vögel und die Menschen – sei nicht geizig... und auf einmal öffnet sich eine große Fülle. Und Fülle zieht noch mehr Fülle an. Mein Freund Martin meinte einmal: „Derjenige der hat, dem wird gegeben und derjenige der wenig hat, dem wird auch noch das genommen was er hat.“ Mangel oder Fülle – es ist eine Entscheidung!
Wir hatten das Gefühl, dass es Zeit war den Kongo zu verlassen. Wir gingen am 25.Dezember in der Früh laufen nachdem wir die Weihnachtsnacht im Zelt im Freien verbrachte hatten. Wir hatten es im Garten vor dem Haus von Clemens aufgestellt und es war eine eigenartige Zeltnacht. Vor allem zu Beginn waren wir von so vielen unterschiedlichen Energien und Kräften umringt, dass ich nur damit beschäftigt war die Wächter zu positionieren; dann wurde es ruhiger, und doch war eine eigene Stimmung. Außerdem hatten wir bereits perfekt gearbeitet und in kurzer Zeit ob all der Herausforderungen einer Recherchetätigkeit im Kongo alles herausgefunden was wir wissen wollten. Mehr wäre zwar noch möglich gewesen, wäre aber mit dem „Preis“, den wir dafür zu zahlen gehabt hätten in keiner Relation gestanden und so fragten wir Eddie (Clemens' wichtigsten Mitarbeiter im Kongo) ob er uns für den Weihnachtstag einen Chauffeur auftreiben könnte; denn es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel und selbst ein Auto zu organisieren ist eine Herausforderung – doch Eddie ist einfach eine besondere Seele und unglaublich herzlich. Innerhalb von 20 Minuten hatte er wohl den besten Chauffeur gefunden, den es in der ganzen Region gab – einen Burschen, der im Nationalparkbüro von den Ruwenzoribergen als Wildhüter und Naturparkwächter arbeitete. Er zog seine Uniform an und chauffierte uns wie ein Sir! Wir fuhren gemächlich und doch zügig. Bei allen Straßensperren ob Polizei oder Militär fuhren wir vorbei. Sie winkten uns – wollten aber nichts haben und uns auch nicht einmal kontrollieren. An der Grenze bezahlten wir unseren Chauffeur und schenkten ihm eine Tafel Zotter Kongoschokolade und er hütete sie wie einen großen Schatz. Er war so glücklich und dankbar. Dann verschwand er mit unseren Pässen im Ausreisebüro, bat uns kurz zu warten und nach weniger als fünf Minuten war alles erledigt – ja obwohl uns Clemens vor der schwierigen Ausreise gewarnt hatte ging sie so einfach – fast unglaublich. Endlich reisten wir wieder kosmisch, so wie wir eben reisen wollen. Alles wird auf zauberhafte Weise geregelt und fügt sich – wir fühlten uns beschützt und dankbar und lernten von unserer Kongoreise wie wichtig ist mit welchen Menschen wir in Verbindung treten und welchen Kräften wir uns aussetzen – und es war wieder mal spannend zu beobachten, dass sich immer jeder selbst seine Realität erschafft. Unsere Entscheidungen und Handlungen können uns zum Glück und zu Lebensfreude führen aber genauso zu Mangel und Unzufriedenheit! Fehlt die Dankbarkeit und fehlen die Träume? Oder leben wir sie? Und erkennen wir, dass alles auf besondere und mystische Art und Weise miteinander verbunden ist.
Auf der ugandischen Seite suchten wir uns ein Sammeltaxi. Es war viel los an diesem Weihnachtstag und alle waren auf den Füssen. Es gab Feste und Feierlichkeiten und waren viele auf der Suche nach einem Transportmittel. Wir waren in einem Kleinbus mit 8 Stitzplätzen unterwegs und abschnittsweise waren wir 16 Mitreisende. Am Fahrersitz saß nicht nur der Chauffeur sondern zwei weitere Passagiere. Zu guter Letzt ging auch noch genau zwei Meter vor dem Ortsschild von Fort Portal, wo wir übernachten wollten, der Benzin aus und unsere Karre bleib stehen. In Afrika fahren viele bis zum Anschlag; geht es sich aus oder nicht? Das betrifft nicht nur den Benzin sondern auch den Fahrstil, der sich sehr oft an der Grenze zur Lebensgefahr bewegt.
Wir waren glücklich als wir in Fort Portal in unserer Herberge ankamen und keiner von uns wollte aus dem Bad hinaus. Jeder von uns saß wohl mehr als eine halbe Stunde unter einem Wasserhahn aus dem warmes Wasser floss – die einfache Herberge erschien uns wie das schönste Spa- und Wellnesshotel!
Im Internet lasen wir die neuesten Nachrichten in der österreichischen Onlinezeitung „Der Standard“ und da stand es dann schwarz auf weiß: in der Weihnachtsnacht vom 24 auf den 25.12. haben die Rebellen Kamango, ein ca. 70 Kilometer entferntes Dorf angegriffen (dort wo für Clemens auch ein wichtiges Zentrum für seinen Kakaoeinkauf ist uns viele seiner Kakaobauern arbeiten) und haben 40 Frauen und Kinder umgebracht – bis schließlich die Vereinten Nationen mit einem Helikopter und die kongolesische Armee einschritten. Halleluja – wieder einmal bestätigte nun die Zeitung jenes Gefühl dass wir bereits im Zelt hatten, als wir die Weihnachtsnacht im Freien verbracht hatten. Es war wirklich an der Zeit gewesen, dass wir weiterreisten ... Zeit zu leben!
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