Franz Seidl ist ein ganz Besonderer! Stark verwurzelt und doch frei, bodenständig und sehr innovativ – so könnte man ihn wohl am besten beschreiben, den Chef von Estyria. Sein Metier sind die Kürbiskerne – allerdings in einer Qualität wie sie nur von wenigen erreicht wird.
Begonnen hat er als einfacher Arbeiter. Damals hatte die Firma noch keine Kürbiskerne im Programm, sondern spezialisierte sich auf Saatmaisanbau. Anfang der 1960er Jahre ging es vor allem darum, hochqualitatives Saatgut zu züchten, um die Erträge zu steigern. Die Saatmaisgenossenschaft war dabei auch recht erfolgreich; aber nur solange bis Österreich der Europäischen Union beitrat. Dann wechselten die Steirer vom geschützten in einen freien Markt und die Preise sanken in den Keller. Die Bauern erkannten, dass sie fortan etwas anbauen mussten, das nicht jeder produzierte und das in gewissem Sinne außergewöhnlich war. Sie entschieden, von Saatgutmais auf Kürbiskerne umzusteigen, errichteten eine Ölmühle für Kürbiskerne und begannen alles rund um den Kürbis anzubieten: vom Saatgut, bis zur Fachberatung, was den Anbau anbelangt, dem Maschinenpark, der Ernte und der Endverarbeitung. Zuerst widmeten sie sich nur der konventionellen Landwirtschaft und Ende der 1990er Jahre bauten sie auch ihr Biosortiment aus. Heute beträgt der Bioanteil an den verkauften Kürbiskernen 20% und steigt beständig weiter.
Bei meinem Besuch bei Estyria bemerkte ich, wie eng Biolandbau damit verbunden ist, ob man sich Bio überhaupt vorstellen kann oder eben nicht: der eine sieht nur die Hindernisse und Begrenzungen, der andere nützt die Herausforderungen als Trampolin, um dorthin zu kommen, wo er sonst nie hinkommen würde! In der Steiermark ist es feucht und das fördert wiederum den Wuchs von Unkraut. So ist die weit verbreitete Meinung entstanden, dass man in der Steiermark keinen Biokürbis anbauen kann, weil er ob des wuchernden Unkrauts nicht wachsen kann, wenn man keine Chemie einsetzt. Die Arbeitsstunde kostet zwischen 10 bis 15 Euro und dies mache die arbeitsintensive, händische Unkrautbeseitigung unmöglich, so die gängige Vorstellung. Doch, wie sagte schon einst Henry Ford: „Ob du glaubst, du schaffst es oder du glaubst, du schaffst es nicht, du behälst auf jeden Fall Recht!“
Und dann stand er vor mir und belehrte mich eines Besseren! Er hieß Gerald Ladenhauf und begegnete mir mit einem großen Lächeln im Gesicht. Als wir auf sein Kürbisfeld spazierten, stand gerade ein Gewitter über uns, es war als ob Blitz und Donner seine Worte unterstreichen wollten: „Klar kann man in der Steiermark Biokürbisse anbauen – wie hätten sie es denn früher gemacht, als es noch keine Chemie gab?“ Und das Unkraut? „Ja, das Unkraut wuchert, aber man kann es mechanisch entfernen und händisch geht es auch. Wir bauen auf 4,5 Hektar Kürbis an und einmal im Jahr kommen unsere Bekannten und Verwandten zusammen und wir jäten gemeinsam. Das ist immer ein besonderes Ereignis, auf das sich jeder freut. Während der Arbeit haben wir Zeit, Geschichten auszutauschen und abends gibt es dann immer ein großes Fest. Was für eine Freude! So ist das Kürbisjäten immer ein Anlass, dass wir uns alle treffen und dann feiern! Wir schaffen 1,5 Hektar am Tag und so zieht sich das Fest über drei Tage. Gibt es etwas Schöneres?“ Die Zotter-Kürbiskerne wachsen also aus dem Geschichtenerzählen, aus der Freude und aus dem Festefeiern. Ist deswegen die Kürbisschokolade so beliebt?
Für Gerald Ladenhauf den Biobauer, der seine Kürbiskerne an Estyria liefert, gibt es entweder nur bio oder konventionell – aber nicht beides zugleich! Es geht für ihn um eine Lebenseinstellung. „Seit 50 Jahren gibt es nun die chemieintensive Landwirtschaft und wie viele Probleme haben wir bereits nach einer Generation? Mittelfristig ist der biologische Weg einfach der einzig gehbare, um ein gesundes Ökosystem zu erhalten. Klar bringt es Herausforderungen mit sich: Da ist auf der einen Seite das Unkraut und auf der anderen Seite die Beschränkung auf die natürliche Düngung. Wobei für den Kürbis der beste Dünger die Fruchtfolge ist. Daher pflanzen wir nur alle drei bis vier Jahre Kürbis am selben Acker an. Wir wechseln den Kürbisanbau mit Getreide, Ackerbohnen und Klee ab. Das funktioniert wunderbar.“ Mahatma Gandhi prägte einst den Satz: „Mit der Entscheidung etwas zu tun, geht es leicht!“ Es ist also die bewusste Entscheidung für Biolandbau, die darüber bestimmt, ob jemand nur Hindernisse oder eben auch die Chancen sieht, die daraus erwachsen! Übrigens gerade beim Kürbis ist Biolandbau auch für die Menschen von zentraler Bedeutung, denn der Kürbis reinigt den Boden von Schadstoffen. Sollten im Boden Pestizidrückstände vorhanden sein, nimmt der Kürbis diese auf und speichert sie in der Frucht. Zehn Jahre, nachdem gewisse Spritzmittel bereits verboten waren, konnten sie noch im Kürbis nachgewiesen werden. Das Gleiche gilt natürlich auch für Chemie, die noch legal ist, aber deswegen noch lange nicht gesundheitsförderlich. Der Kürbis transportiert sie direkt zum Menschen! Einzig der Biolandbau verwendet keine chemischen Spritz- und Düngemittel und daher sind in diesen Kürbissen auch keine Pestizidrückstände zu finden!
Franz Seidl und Estyria bieten allerdings nicht nur Biokürbiskerne aus der Steiermark, sondern auch konventionell produzierte Kerne an. Die Kerne kommen aus der Steiermark, aus Niederösterreich, Tschechien, Ungarn, der Ukraine und auch aus China. Je nachdem, was ein Kunde bereit ist zu zahlen, werden die unterschiedlichen Kerne geliefert. Am liebsten liefert Franz die Kernkraft aus der Steiermark und so spüre ich eine innere Freude in ihm, als ich ihn frage, wie sich der Verkauf der Kürbiskerne aus China entwickelt? „Die chinesischen Kerne machen immer noch 20% unserer verkauften Kürbiskerne aus, doch nach Jahren des Wachstums ist der chinesische Anteil seit heuer erstmals im Sinken. Die Kunden erkennen, dass die europäische Qualität einfach die bessere ist! Jahrelang waren es die großen Bäckereien, die vor allem die billige Ware aus China nachfragten. Um in dieser Zeit als Unternehmen wirtschaftlich überleben zu können, mussten wir die ganze Palette anbieten: von bio und regional bis konventionell und China. Doch nun ist bio und regional im Wachsen!“
Wir besuchen das Werk und ich spüre, wie professionell alles organisiert ist. Anstatt die Produktion auszulagern, vertrat Franz Seidl immer die Ansicht: „Am besten haben wir alles im Haus, denn nur so können wir die beste Qualität unserer Produkte garantieren. Außerdem werden die einzelnen Qualitäten nicht vermischt. Wer wie Zotter regionale Bioqualität nachfragt, bekommt diese auch geliefert und da ist dann nicht einmal ein einziger chinesischer Kern mit dabei!“ Insgesamt sind chinesische Kürbiskerne rückläufig. Die Vision von Franz Seidl „steirisch und regional“ dürfte in den nächsten Jahren immer mehr zur Realität werden. Franz ist halt doch ein Visionär, aber einer, der seine Visionen auch in die Tat umsetzt. Hängt vielleicht deswegen in seinem Büro ein großes Foto unter dem geschrieben steht: Chef des Jahrhunderts? Das Foto haben ihm seine Mitarbeiter geschenkt, weil er am längsten von allen in der Firma arbeitet und weil er seinen Visionen immer treu geblieben ist: Die Kernkraft kommt eben doch aus der Steiermark!